Geplante EU-Sanktionen zielen auch auf pro-russische Propagandisten in Deutschland
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Hintergrund Geplante EU-Sanktionen zielen auch auf pro-russische Propagandisten in Deutschland
Das 17. Sanktionspaket der EU gegen Russland soll am 20. Mai verabschiedet werden. CORRECTIV konnte einen Entwurf vorab einsehen: Er zielt auch gegen deutsche Staatsbürger und in Deutschland tätige Propaganda-Akteure. Ebenfalls im Visier: IT-Unternehmer, deren Rolle in Russlands hybridem Krieg CORRECTIV aufgedeckt hat, sowie Fischerei-Unternehmen, die der Spionage und Sabotage verdächtigt werden.
von Alexej Hock
, Max Bernhard
, Sarah Thust
16. Mai 2025
Die EU will am 20. Mai 2025 neue Sanktionen gegen Russland beschließen. Ein Entwurf, den CORRECTIV einsehen konnte, umfasst auch Namen von pro-russischen Propagandisten aus Deutschland. (Quelle: Nicolas Economou / Nur Photo / Picture Alliance)
Am kommenden Dienstag will die EU das 17. Sanktionspaket gegen Russland formell beschließen. Es richtet sich unter anderem gegen Personen, die in den vergangenen Jahren mit pro-russischen Aktionen in Deutschland aufgefallen sind. Das geht aus einem Entwurf hervor, den CORRECTIV einsehen konnte. Auf der Liste finden sich deutsche Propagandistinnen und Propagandisten, die nach Russland ausgewandert sind, sowie IT-Unternehmer, deren Rolle in Russlands hybriden Krieg CORRECTIV im vergangenen Jahr aufgedeckt hat, und Fischerei-Betriebe, die der Sabotage verdächtigt werden.
Dass das Sanktionspaket die sogenannte Schattenflotte ins Visier nimmt, mit der Russland trotz Sanktionen russisches Öl weltweit verkauft, ist bereits berichtet worden.
Die Verabschiedung des Pakets war schon länger vorbereitet. Gleichzeitig drohten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und EU-Spitzenpolitiker Russland mit noch schärferen Sanktionen, falls es nicht zu einer Waffenruhe in der Ukraine kommen sollte.
Spionage und Sabotage in der Ostsee im Visier
Einige Sanktionen richten sich gegen Unternehmen, die im Verdacht stehen, Schiffe für russische Sabotage und Spionage-Aktionen einzusetzen. Ein Beispiel ist die Firma Norebo JSC aus Murmansk, deren Schiffe nach Informationen der EU Teil einer groß angelegten russischen Kampagne gegen zivile und militärische Infrastruktur in der Nordsee und im Baltikum benutzt werden. Ein Schiff der Norebo JSC darf niederländische Häfen demnach bereits jetzt nicht mehr anlaufen.
Ebenfalls auf der Sanktionsliste findet sich die Firma Murman SeaFood. Einem Schiff ihrer Flotte wird vorgeworfen, NATO-Übungen und kritische Infrastruktur Norwegens ausgespäht zu haben sowie im Zusammenhang mit der Zerstörung eines Unterseekabels in der nördlichen Nordsee auffällig geworden zu sein.
Zwei prominente deutsche Propagandisten
Ein weiterer Teil der Sanktionen richtet sich gegen Firmen und Personen mit Verbindungen zu pro-russischen Einflussoperationen, die entweder in Deutschland stattfanden oder gegen die Bundesrepublik gerichtet waren. Mit Alina Lipp und Thomas Röper sollen zwei der reichweitenstärksten deutschsprachigen Propagandisten sanktioniert werden. Lipp, die sich als unabhängige Journalistin inszeniert, verbreitet auf ihrem Kanal „Neues aus Deutschland“ immer wieder Falschbehauptungen zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck zeigten die zentrale Rolle, die Lipp bei der Verbreitung von pro-russischer Propaganda und Falschbehauptungen in Deutschland einnimmt.
Alina Lipp und Thomas Röper kennen sich: Gemeinsam haben sie mehrfach für Fotos in Donezk posiert, eine durch russische Truppen besetzte Region in der Ukraine, und sie trafen im März 2023 auch den russischen Außenminister Lawrow bei einer Veranstaltung in Moskau. (Quelle: Telegram-Kanal von Alina Lipp; Screenshots und Collage: CORRECTIV)
Genau wie Lipp verbreitet auch Thomas Röper seit Jahren russische Propaganda: Auf seinem Blog „Anti-Spiegel“ sowie auf Telegram und Youtube streut er Falschmeldungen und Verschwörungsmythen. Laut eigenen Angaben lebt er in Sankt Petersburg.
Auch den pro-russischen Aktivisten Elena Kolbasnikova und Max Schlund wirft die EU destabilisierende Maßnahmen vor. Sie stehen ebenfalls auf der Liste der geplanten Sanktionen. Kolbasnikova wurde 2023 zu einer Geldstrafe verurteilt, nachdem sie öffentlich den russischen Angriffskrieg gebilligt habe. Beide fielen zudem als Initiatoren mehrerer pro-russischer Autokorsos in Deutschland auf. Laut sollen dem Paar Flüge von Russland finanziert worden sein. Beide haben Deutschland im Sommer 2024 verlassen, gegen sie gibt es laut Berichten ein Einreiseverbot nach Deutschland.
Propaganda-Portale mit Verbindungen nach Deutschland
Auch die Sanktionierung des Portals Voice of Europe und ihrer Verantwortlichen war schon lange zu erwarten. Vor mehr als einem Jahr kam heraus, dass über das pro-russische Propaganda-Portal offenbar Zahlungen an rechte Europapolitiker flossen. Ermittelt wird unter anderem gegen den AfD-Politiker Petr Bystron, der die Vorwürfe zurückweist. Anfang Mai 2025 hat das EU-Parlament deswegen die Immunität des Abgeordneten aufgehoben.
Mit „RED“ nimmt die EU außerdem ein Portal ins Visier, das nach Recherchen von CORRECTIV bis zuletzt von Berlin aus operierte. Dabei handelt es sich um einen Nachfolger von Redfish, einem Ableger der Agentur Ruptly, die zum Kosmos des sanktionierten russischen Staatssenders RT gehört. Inzwischen firmiert die Plattform in Istanbul. Die EU wirft „RED“ vor, systematisch Falschinformationen zu politisch kontroversen Themen zu verbreiten, darunter Narrative der palästinensischen Hamas, die die EU und die USA als Terrororganisation einstufen.
Sanktionierung nach CORRECTIV-Recherche
Nach den Plänen der EU-Kommission sollen zudem die IT-Hosting-Firma Stark Industries Solutions sowie deren Chefs Ivan und Juri Neculiti aus der Republik Moldau sanktioniert werden. CORRECTIV hatte im vergangenen Mai aufgedeckt, dass die Neculiti-Brüder und deren Hosting-Dienste Stark Industries Solutions und PQ Hosting eine wichtige Rolle in Russlands hybridem Krieg gegen die EU spielten. Über die Aufnahme auf die Sanktionsliste hatte zuerst .
Auf Servern der Neculitis wurden die Internetseiten von „Recent Reliable News“ (RRN) betrieben. Bei RRN handelt es sich um ein vermeintliches Nachrichtenportal, das pro-russische Propaganda verbreitet und Teil der groß angelegten Desinformations-Kampagne „Doppelgänger“ ist. Auch wurden zahlreiche Cyber-Angriffe, die Internetauftritte von Behörden und Regierungsstellen in Europa durch sogenannte „DDoS-Attacken“ lahmgelegt hatten und auf das Konto der pro-russischen Gruppierung „NoName057(16)“ gehen, über ihre IT-Infrastruktur durchgeführt.
Laut dem Entwurf plant die EU außerdem, pro-russische Aktivisten zu sanktionieren, die auf dem afrikanischen Kontinent aktiv sind sowie Russen, die für das Verfälschen von GPS-Daten im Ostseeraum verantwortlich gemacht werden.
Die Entscheidung über die geplanten Sanktionen soll am 20. Mai in Brüssel fallen.
Redigatur und Faktencheck: Justus von Daniels, Sophie Timmermann
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Author: Sarah Thust
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