Der Parallel-Betrieb von Apps ist in vielen Lebenslagen sinnvoll
Besteht die Möglichkeit, am Smartphone oder Tablet die gleiche App mehrfach zu installieren? Und nein, das ist keine schräge Idee eines gelangweilten Nerds. Es gibt Szenarien aus dem Alltag «normaler» Menschen, bei denen das sinnvoll wäre:
- Wir wollen oder müssen eine App mit mehreren Log-ins verwenden.
Das hilft, Berufliches und Privates zu trennen – oder einen Facebook-Stalking-Account zu betreiben. Leider unterstützen nicht alle Apps das Multi-Account-Prinzip¹. - Die neueste Version einer App ist eine Verschlechterung, weswegen wir auf eine alte Version zurückgreifen möchten.
Ein solches Downgrade führt in aller Regel zu einem Verlust der Konfiguration. Bei einem Spiel kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit der Spielstand abhanden. Darum ist es ratsam, die neue Version nicht zu löschen.
Traurig, aber wahr: Beim iPhone und beim iPad lässt sich diese Aufgabe nicht lösen. Bei allen anderen Betriebssystemen klappt es hingegen, weil sie mehrere Nutzerkonten unterstützen. Die Hilfe erklärt jeweils mehr zu Windows, Mac und Android.
1) Eine App mit mehreren Log-ins – Tipps
Dieser erste Fall ist der weniger komplizierte: Das liegt daran, dass für alle User die gleiche Programmdatei vorgehalten wird². Der Unterschied macht die individuelle Konfiguration, die über die separaten Betriebssystem-Accounts geladen wird.
Der Befehl «Als anderer Benutzer ausführen» im Windows-Explorer.
Zwei Tipps dazu, erstens zu Windows:
Haben wir eine WinAPI-App³ unter einem separaten Account installiert, sparen wir uns den Wechsel zu diesem Account, da Windows uns freundlicherweise den Befehl Als anderer Benutzer ausführen zur Verfügung stellt. Er startet das Programm mit der Konfiguration von Nutzerkonto B, selbst wenn wir mit Nutzerkonto A angemeldet sind.
Um diesen Befehl auszuführen, klicken wir bei Windows 11 im Startmenü auf Alle, klicken in der alphabetischen Liste das fragliche Programm mit der rechten Maustaste an, betätigen Mehr > Als anderer Benutzer ausführen im Kontextmenü und geben die Anmeldedaten für Nutzerkonto B ein. Falls der Befehl fehlt, muss er via Registry freigeschaltet werden⁴.
Dasselbe Excel, in zwei Varianten: hinten mit der hellen Optik und unangemeldet, vorn in der schwarzen Optik mit gültiger Microsoft-365-Lizenz.
Der zweite Tipp zu Android:
Die Multiple-Accounts-App unter Android erlaubt die Ausführung der gleichen App mit unterschiedlichen Anmeldedaten.
Bei Android ist der Umweg über einen zweiten Account unnötig. Für Googles Betriebssystem existieren mehrere Hilfsprogramme, die uns die Anmeldung mit separaten Kontodaten erlauben. Es existieren mehrere solcher «Klon-Apps». Ich empfehle Multiple Accounts: Dual Space und Parallel App. Diese beiden Apps sehen sich so ähnlich, dass die Vermutung naheliegt, dass auch sie Klone voneinander sind.
2) Kniffliger: Der Parallelbetrieb unterschiedlicher App-Versionen
Zum zweiten Fall, der Nutzung mehrerer Varianten der gleichen App. Um diesen müssen wir in jedem Nutzeraccount eine separate Version des fraglichen Programms installieren. Das ist mit Unwägbarkeiten verbunden.
Windows
Bei Microsoft ist die Installation separater Apps pro User offiziell nicht vorgesehen. Da das Betriebssystem uns grosse Freiheiten lässt, wo und wie wir Apps installieren, eröffnet uns das die Möglichkeit, zu tricksen.
Vorbemerkung für UWP-Apps, also diejenigen, die aus dem Microsoft Store stammen. Sie sind für alle User global installiert⁵ und in einem versteckten Ordner abgelegt. Dieser ist schwierig aufzufinden und eigenmächtige Änderungen führen mit grosser Wahrscheinlichkeit dazu, dass die Apps nicht mehr funktionieren und mutmasslich das System beeinträchtigt wird. Darum besser nichts riskieren.
Was die klassischen WinAPI-Applikationen angeht, werden die standardmässig in den beiden Ordnern C:\Program Files und C:\Program Files (x86) für alle Anwenderinnen und Anwender vorgehalten. Doch der Installationspfad lässt sich typischerweise für die allermeisten Programme anpassen – im Setup-Programm mit der angepassten Einstellungen. Wir können die ausführbaren Dateien deponieren, wo wir möchten. Für getrennte Versionen pro User zum Beispiel auch im selbst angelegten Verzeichnis C:\Users\[Benutzer]\Programme.
Wir könnten nachträglich einen Programmordner umbenennen oder verschieben, wobei wir mit ziemlicher Sicherheit die Konfigurationsdateien oder Einträge in der Registry (Der Windows-Konfigurations-Moloch) manuell anpassen müssen.
Disclaimer: Diese Methode funktioniert für die Anwendungen, die ihre Konfiguration nicht aus dem Bereich der Registry laden, der lokal für alle User-Accounts gilt (Hkey_Local_Machine). Falls ein solches Programm in unterschiedlichen Versionen inkompatible Einstellungen nutzt, dann geht unser Experiment schief. In dieser Situation empfehle ich folgende Dinge:
Mac
Mac OS lässt uns die Wahl: Anwendungen werden standardmässig für alle Nutzerinnen und Nutzer im Ordner /Applications abgelegt. Wenn sie nur einem User-Account zur Verfügung stehen sollen, deponieren wir sie im Ordner /Users/[Benutzername]/Applications/. Die Konfiguration ist typischerweise pro Nutzer unter /Users/[Benutzername]/Library/ zu finden (siehe auch: Den Library-Ordner hervorzaubern).
Es ist denkbar, dass einige Anwendungen auch globale Konfigurationen für alle User verwenden, wodurch Probleme entstehen können – ich habe diesen Fall bislang aber nicht angetroffen.
Android
Jetzt wisst ihr auch, wie mein zweites Pixel-Nutzerkonto heisst.
Android installiert Apps (die APK-Dateien) von Haus ebenfalls zentral pro User. Die Einstellungen werden separat verwaltet und sind getrennt. Auch die Sichtbarkeit einer App lässt sich pro Nutzerin oder Nutzer steuern.
Das heisst: Unterschiedliche Log-ins ja, separate Versionen nein.
Trotzdem kann es unter Umständen klappen, unterschiedliche Versionen der gleichen App parallel zu betreiben. Das scheint mir der Fall zu sein, wenn wir eine ältere APK manuell (d.h. nicht aus dem Play-Store) herunterladen. Ich erkläre mir das so, dass sie einen anderen Package-Namen (und Pfad) verwendet als die neueste Version und darum als separates Softwareprodukt behandelt wird. Bei folgendem Versuch habe ich eine alte Version aufs Gerät gebracht, ohne dass die neueste Installation tangiert worden wäre. Dass das immer so klappt, ist nicht garantiert. Die Methode ist auf alle Fälle mit dem Risiko des Datenverlusts behaftet.
Das war mein konkreter Versuch:
Es geht um «Minion Rush», ein nettes Rennspiel, das über die Jahre immer schlechter wurde. Im Mai hat es der Entwickler Gameloft durch das «massive update» endgültig verhunzt. Um in Erinnerungen zu schwelgen, wollte ich eine alte Version installieren, möglichst das Original von 2013.
Um die Konfigurationen aneinander vorbeizumanövrieren, entschied ich mich, ein zweites Nutzerkonto einzurichten. Das ist vergleichsweise einfach: Beim Pixel Pro 8 gelingt das in den Einstellungen bei System > Nutzer. Verkompliziert wird die Sache dadurch, dass ein separater Google-Account unumgänglich ist – die Verwendung eines lokalen Nutzerkontos ist nicht möglich.
Es entpuppt sich als schwierig, alte Versionen von «Minion Rush» als APK aufzutreiben. Apkmirror.com hält die Uralt-Versionen zwar bereit, erlaubt jedoch den Download nicht:
APKMirror ist bestrebt, APK-Downloads für möglichst viele beliebte Apps anzubieten. Manchmal bitten uns App-Entwickler jedoch, ihre Apps zu entfernen und stattdessen auf eine offizielle Download-Quelle wie den Google Play Store zu verweisen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir solche Entscheidungen respektieren müssen und daher derzeit keinen direkten APK-Download für diese App anbieten können.
Siehe da – Gameloft wird, obwohl ich das für unmöglich gehalten hatte, sogar noch unsympathischer. Ich fand das Spiel indes bei apkpure.com. Der Download klappt, die Installation nicht:
Rückwärtskompatibilität ist keine Stärke von Android.
Erst meint Android:
Unsichere App blockiert: Diese App wurde für eine ältere Android-Version entwickelt und bietet keinen aktuellen Datenschutz.
Wenn wir explizit auf der Installation bestehen, heisst es dann:
Die App wurde nicht installiert, da sie nicht mit deinem Smartphone kompatibel ist.
Fazit: Unerfreulich. Rückwärtskompatibilität ist eine Schwachstelle von Android. Darum kann ich die hier geschilderte Methode nicht empfehlen – ich beschreibe sie, weil sie einige interessante Funktionsweisen zu Android erklärt.
Das Fazit daraus: Um eine alte Android-App zum Leben zu erwecken, halten wir am besten ein älteres Gerät griffbereit (allen Empfehlungen zum Trotz geben wir es nicht zum Rezyklieren). Alternativ verwenden wir einen Android-Emulator wie Bluestacks – der separat zu testen sein wird.
Fussnoten
1) Tipp am Rand: Im Firefox-Browser ist die Nutzung der gleichen Website mit parallelen Log-ins komfortabel über die Multi-Account-Containers-Erweiterung möglich. Die ausführliche Anleitung dazu findet sich hier. ↩
2) Bei offenen Betriebssystemen haben wir die Möglichkeit, die vorgegebene Installation so anzupassen, wie es uns entspricht. Die Details erklärt der Artikel im zweiten Teil. Grundsätzlich empfehle ich, für den Parallelbetrieb von Apps diese nicht mehrfach zu installieren, auch wenn das grundsätzlich möglich ist. Das wäre eine unorthodoxe Methode, die die Aktualisierung erschwert, unter Umständen die Funktionalität beeinträchtigt und dazu führt, dass die Apps doppelt Speicherplatz benötigen. ↩
3) Das sind die Programme, die auf dem Windows Application Programming Interface basieren, das vor Windows 8 massgeblich war. ↩
4) Und so schalten wir den Befehl Als anderer Benutzer ausführen via Registry frei:
- Wir starten den Registry-Editor, indem wir die Windows-Taste und
r betätigen und regedit ins Öffnen-Feld eintragen – mehr dazu siehe hier. - Wir navigieren zum Pfad
\HKEY_CURRENT_USER\Software\Policies\Microsoft\Windows\Explorer. - Dort legen wir den Dword-Schlüssel
ShowRunAsDifferentUserInStart an, falls er nicht existiert. - Wir doppelklicken auf diesen Schlüssel und setzen den Wert auf
1. ↩
5) Die provisionierten Apps klammern wir an dieser Stelle grosszügig aus. ↩
Beitragsbild: Zugegeben, das Beitragsbild ist deutlich romantischer als der dazugehörige Blogpost (JD Chow, Unsplash-Lizenz).
#tldr