Ziehet nun an, (Eig Habet nun angezogen) als Auserwählte Gottes, als Heilige und Geliebte: herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Langmut,
Elberfelder 1871 – Kolosser 3,12
Geschwister, ihr seid von Gott erwählt, ihr gehört zu seinem heiligen Volk, ihr seid von Gott geliebt. Darum kleidet euch nun in tiefes Mitgefühl, in Freundlichkeit (oder Güte), Bescheidenheit (oder Demut), Rücksichtnahme (oder Nachsicht/Sanftmut.) und Geduld.
Neue Genfer Übersetzung 2013 – Kolosser 3:12
Weil ihr von Gott auserwählt und seine geliebten Kinder seid, die zu ihm gehören, sollt ihr euch untereinander auch herzlich lieben in Barmherzigkeit, Güte, Demut, Nachsicht und Geduld.
Hoffnung für alle – 1996 – Kol 3,12
Von Gott seid ihr auserwählt worden. Zu ihm gehört ihr ganz und gar. Von ihm seid ihr in Liebe angenommen. Das sind die neuen Lebenseinstellungen, die ihr einüben sollt: barmherzige Zuwendung, Herzensgüte, Demut, Taktgefühl und Geduld.
Roland Werner – Das Buch – 2009 – Kol 3:12
Der folgende Vers lautet „Sagt ein echtes Ja zueinander, so wie ihr seid, und vergebt einander immer wieder.„
ἐν-δύσασθε Aor. Imp. Med. -δύω V. 10. ἐκ-λεκτός9 (< ἐκ-λέγομαι [für sich] auswählen) ausgewählt; im NT fast durchweg: (aus)erwählt (ausgesondert, um zu Gott zu gehören bzw. ihm zu dienen). ἠγαπημένοι Pf. Ptz. Pass. ἀγαπάω, subst. σπλάγχνον nur Pl. Eingeweide; Herz (Sitz der Gefühle); Zuneigung, Liebe, Erbarmen. οἰκτιρμός Mitleid, Erbarmen, Barmherzigkeit; σπλάγχνα οἰκτιρμοῦ (gen. qualitatis, A160) inniges/herzliches Erbarmen, barmherzige Zuneigung. χρηστότης3 ητος ἡ Güte, Milde, Freundlichkeit. ταπεινοφροσύνη Bescheidenheit, Demut. πραΰτης3 ητος ἡ Sanftmut, Milde, Freundlichkeit. μακρο-θυμία Geduld, Ausdauer; Langmut.
Neuer Sprachlicher Schlüssel zum Griechischen Neuen Testament
Noch einmal fordert Paulus die Gläubigen zu energischem Handeln auf: So zieht nun an (endysasthe). Weil sie „den neuen (Menschen) angezogen haben“ (endysamenoi; V. 10), sollen sie nun auch ihrem neuen Stand gemäß leben und wirklich christliche Eigenschaften und Einstellungen an den Tag legen. In den Versen 8-9 hatte Paulus sechs Laster aufgezählt (Zorn, Grimm, Bosheit, Lästerung, schandbare Worte und Lüge). Im Gegensatz dazu sollen die Christen als die Auserwählten Gottes (vgl. Röm 8,33; Tit 1,1), als die Heiligen („die für Gott Ausgesonderten“; vgl. Kol 1,2) und Geliebten (vgl. Röm 5,8; 1Joh 4,9-11.19 ) verschiedene Tugenden besitzen. Darunter sind herzliches Erbarmen (splanchna oiktirmou; ein besonders anrührender Ausdruck; in Phil 2,1 verbindet Paulus die beiden Substantive mit einem „und“), Freundlichkeit (tätiges Wohlwollen; vgl. 2Kor 6,6), Demut (eine demütige Haltung gegenüber Gott; vgl. Phil 2,3; 1 Petrus 5,5), Sanftmut (prautEta; Milde, eine duldsame Haltung gegenüber anderen) und Geduld (makrothymian, „Selbstbeherrschung“, Ruhe und Festigkeit angesichts von Provokationen von außen; vgl. Kol 1,11). Die drei letzten dieser Tugenden werden in Eph 4,2 im Griechischen in genau derselben Anordnung genannt, und auch Gal 5,22 – 23 greift drei von ihnen heraus: Geduld, Sanftmut und Freundlichkeit.
Die Bibel erklärt und ausgelegt – Walvoord Bibelkommentar
Der Imperativ „ziehet also an herzliches Erbarmen usw.“ verdeutlicht die Aufgaben jener, die den neuen Menschen angezogen haben. Wie der alte Mensch wird der neue durch seine πράξεις, seine Handlungsweise, konstituiert. Jeder Getaufte ist angesprochen. Die πράξεις aber, die genannt werden, sind solche, die das Zusammenleben, die Bildung von Gemeinde einfordert und zur Voraussetzung hat. Auch in der detaillierten Betrachtung trägt der neue Mensch individuelle und kollektive Züge. Der Mikro- kann vom Makroanthropos nicht getrennt werden und umgekehrt. Die fünf aufgezählten Tugenden sind die des geselligen Lebens. Im Kontext bilden sie das Gegenstück zu den irae differentiae in V 8. Allerdings sind sie durchweg jüdisch empfunden.
Im einzelnen steht herzliches Erbarmen, wörtlich: „Eingeweide des Erbarmens“ an erster Stelle. Dieses ganz biblisch empfundene Bild geht davon aus, daß im Innern des Menschen seine Affekte und Gefühle sitzen. „In meinem Schoß und meinen Eingeweiden tut es mir weh“, klagt Salomo zum Ausdruck seelischen Schmerzes (PsSal 2, 15). „Ich brannte in meinen Eingeweiden, es offen zu sagen“, gesteht Naphtali (TestNaph 7, 4). So wird das physiologische Bild hergenommen als Metafer für die Regung und Gesinnung der Barmherzigkeit: „Josef war ein guter Mann, … barmherzig (εὔσπλαγχνος) und erbarmend“ (Test Sim 4, 4), auch von Gott: „Am Ende der Tage wird Gott sein Erbarmen (τὰ σπλάγχνα) auf die Erde senden.“ Die χρηστότης, die Güte, Milde, Freundlichkeit, gilt als Tugend der Könige und Mächtigen und ist auch eine Eigenschaft Gottes. Im griechischen Bereich kann sie auch ein abschätziges Urteil erfahren und in die Nähe von falscher Nachgiebigkeit und Mangel an Strenge gerückt werden. Im Neuen Testament ist sie als menschliche Eigenschaft stets positiv gesehen. Die ταπεινοφροσύνη rückt im Kolosserbrief in einen Gegensatz zur falschen Demut der Häretiker (2, 18 und 23). Es ist wiederholt gezeigt worden, daß das griechische Wort im biblischen Bereich eine völlige Umprägung erfuhr. Im Griechischen sagt man es dem nach, der eine niedrige, servile Gesinnung besitzt. In der Stoa kann es als Laster gelten. Im Sinn von Mäßigung (modestia) gewinnt es positiven Rang7. Die christliche Demut ist nicht die von F. Nietzsche verachtete Hundedemut, sondern jene Haltung, die im anderen Menschen ein Geschöpf Gottes und eine Schwester und einen Bruder Christi erblickt. Die πραύτης, die Sanftheit, Sanftmut, Milde, ist kaum von der χρηστότης zu unterscheiden. An dieser Stelle wird eine gewisse Unschärfe des Katalogs deutlich. Auch sie, Eigenschaft Gottes und des edlen Herrschers, ziemt nach Sir 36, 23 der guten Ehefrau. Sie ist insbesondere die Fähigkeit, menschliche Unterschiede außer acht zu lassen. Ihr Gegenteil ist die ἀγριότης (Härte, Rüdigkeit). Die μακροθυμία, die Langmut, Ausdauer, Geduld, schließlich ist im Zusammenleben jene Eigenschaft, die den anderen annimmt und erträgt, gerade auch den Schwierigen. Während die vorher genannten vier Tugenden Aktivitäten im Umgang mit dem Mitmenschen umschreiben, ist diese fünfte passiv. Doch bedarf sie nicht minder einer Anstrengung, zu der die Liebe befähigt (vgl. 1 Kor 13, 4: ἡ ἀγάπη μακροθυμεῖ). Es ist aufschlußreich, daß die Langmut im Neuen Testament ebenso von Gott und Christus (Röm 2, 4; 9, 22; 1 Tim 1, 16; 1 Petr 3, 20) ausgesagt wie vom Menschen gefordert wird (2 Kor 6, 6; Gal 5, 22; 2 Tim 3, 10). Ihr Gegenteil ist der Jähzorn (ὀξυχολία).
Weil alle fünf Eigenschaften – wie wir sahen – auch Gott zugesprochen werden, meinte man, es werde in V 12 zur imitatio Dei aufgerufen. Doch dürfte diese Auffassung den Text überfordern. Eine zusätzliche Begründung des Imperativs bietet die überschwengliche dreifache Anrede: Gottes Erwählte, Heilige, Geliebte. Sie will die vorausgegangene heilende und rettende Aktivität Gottes sicherstellen. Um ihretwillen – nicht um der physischen Gleichheit aller Menschen willen wie in der Stoa – ist der Christ primär zu den erläuterten Haltungen verpflichtet und befähigt. Das steigert die Verantwortung. Die theozentrische Sicht der Bibel unterscheidet sich von der anthropozentrischen der zeitgenössischen Philosophie12. Die Heiligkeit, heute leider ein abgegriffenes und abstraktes Wort, zeichnet die kritische Distanz zur Welt.
Gnilka – Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament
Die Aufforderung, das Gute zu tun, ist immer die genaue Kehrseite jener, das Böse zu unterlassen, vgl. Herm. mand VIII: „Des Bösen enthalte dich und tu es nicht. Des Guten enthalte dich nicht, sondern tu es.“ So ist auch V. 12 das Gegenstück zu V. 5: dem „tötet nun“, bezogen auf die fünf Laster, entspricht das „zieht nun an“, bezogen auf die fünf Tugenden. Die Bekleidungsmetapher zeigt, dass sich das schlussfolgernde „nun“ auf die Taufe bezieht (vgl. 2,11; 3,9f.); sie ist der Indikativ, aus dem sich der Imperativ ergibt. Bevor jedoch die neuen Verhaltensweisen benannt werden, werden zuerst die Adressaten und Adressatinnen in ihrem, in der Taufe grundgelegten neuen Verhältnis zu Gott beschrieben: Die einst fern von Gott gelebt haben (vgl. 1,21f.), sind jetzt „Auserwählte, Heilige und Geliebte“. Vor allem der erste Begriff dient als Ausdruck der Zugehörigkeit und verleiht den ehemaligen Heiden eine neue, von Gott ausgehende Identität, die sie zugleich mit allen Christen (= die Heiligen) verbindet.
Im Hintergrund steht die Vorstellung von der Erwählung Israels durch Gott (Dtn 4,37; 7,6f. u.a.), die später von Qumran und den christlichen Gemeinden übernommen und ausschließlich auf sich selbst bezogen wurde (vgl. 1QpHab 10,13; 1QS 8,6; 11,7.16; 1QM 12,1f.; 1Petr 1,1; 2,9). Der Gedanke der Auserwählung begegnet im Neuen Testament besonders in eschatologischem Kontext (vgl. Röm 8,33; Mk 13,20.22.27; Offb 17,14) und setzt voraus, dass die Auserwählten in der apokalyptischen Endzeit bzw. beim Gericht nichts zu befürchten haben.
Dem entspricht im Kol die Konstruktion des „einst und jetzt“; als Heiden waren sie dem göttlichen Zorngericht ausgeliefert (3,6f.), als Getaufte gehören sie jetzt zu den Auserwählten Gottes. Die Konsequenz der neuen Identität ist die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der „Heiligen und Geliebten“.
Nachdem der Autor seine Adressaten und Adressatinnen so in ihrer Selbstgewissheit bestärkt hat, zeigt er ihnen in einer weiteren, diesmal positiven Fünfergruppe, was es heißt, den „neuen Menschen anziehen“ (V. 10). Die Auswahl nennt weder heroische Tugenden noch solche, die nur der eigenen Vervollkommnung dienen; vielmehr handelt es sich um Verhaltensweisen, die sich zum Wohl anderer auswirken. Mit „Güte und Milde“ ist die freundliche Zuwendung gemeint, die anderen wohltut; das „herzliche Erbarmen“ bleibt nicht beim Mitgefühl stehen, sondern solidarisiert sich mit Leiden und Not; die „Demut“ ist die Bescheidenheit, die sich zugunsten eines anderen zurücknimmt. Das letzte Glied kann Standhaftigkeit und geduldige Ausdauer, aber auch – auf andere bezogen – Großzügigkeit und Langmut (vgl. auch 1,11) bedeuten, die man einem anderen entgegenbringt. Die Mahnung zum gegenseitigen Ertragen und Vergeben unterstreicht diese Richtung der zuvor aufgezählten „Tugenden“.
Maisch – Theologischer Kommentar zum Neuen Testament
Nun stellt Paulus die »neuen Kleider« auch ganz gezielt vor, das, was wir als Christen sein und leben dürfen. Dass wir Neue sind, der neue Leib als persönliche Neugeburt und als Glied des ganzen neuen Leibes, der Gemeinde, geschaffen ist durch Christus, betonen die Bezeichnungen der Gläubigen. Sie beschreiben, wem wir gehören, was wir sind und warum wir das sind. Wir sind »Auserwählte Gottes«, das betont ganz und völlig Gottes Tun. Er hat uns erwählt, so wie Jesus sagt: »Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt …« (Joh 15,16; vgl. auch Jes 14,1; 41,8; 43,20; 45,4; 65,9; Mt 20,16; 24,22; Lk 18,7; Apg 9,15; Röm 8,29.33; 11,7; 1Kor 1,27; Eph 1,4; Tit 1,1; 1Petr 1,2.20; Offb 17,14). Doch »Erwählung« ist biblisch kein Zwangsgeschehen, sondern vollzieht sich an dem und mit dem, der sich ergreifen lässt. Aber die Betonung liegt mit ganzem Nachdruck auf Gottes Handeln: Er tut das; er will uns für sich. Keiner kann sich selbst zum Kind Gottes machen. »Heilige« sind wir, ganz und gar in die Gemeinschaft mit Gott und Christus hineingenommen und dadurch in unserem Sein verändert, neu gemacht und immer mehr in die Christusart hineingestaltet. Das sind wir! Warum wir das sind? Wir sind »Geliebte«. Einziger Grund für unsere Erwählung und Rettung ist Gottes Liebe, eine Liebe, die nicht nach unserer Würdigkeit fragt, sondern unsere Bedürftigkeit sieht. Gottes Liebe hat nichts Liebenswertes an uns. Es ist eine unverfügbare, umfassende Liebe. Liebe ist das Wesen Gottes (vgl. 1Joh 4,16).
Das sind wir. Nun dürfen wir als Erwählte, Heilige und Geliebte leben. So, nur so ist christliche Ethik zu begründen, da hat der Imperativ seinen Ort. Gott hat alles getan, nun kannst und darfst du mittun. »Anziehen« steht wieder bildhaft für die Praxis des neuen Lebens. Das muss und kann ich tun. Ich werde nicht zwangseingekleidet. Und nun die »neuen Kleider« im einzelnen – wohl in Entsprechung zu den »alten Kleidern« in Vers 8 -: »Herzliches Erbarmen« (wörtlich »ein Herz des Erbarmens«) ist der Gegensatz zu dem schwörenden Zorn. Solches Erbarmen, das aus dem Innersten, aus dem Herzen kommt, hat Jesus gelebt, wenn es heißt: »Als er das Volk sah, jammerte es ihn« (wörtlich »drehte sich sein Innerstes um«; Mt 9,36). Das ganze Mitgefühl, ja geübtes Mitleiden mit dem anderen ist gemeint. Solches Erbarmen fließt aus der »Barmherzigkeit«, die Gott an uns getan hat (vgl. Röm 12,1; auch 1Mose 24,27; 32,11; Ps 23,6; 51,3; 103,4; Jes 54,7; 63,7; Mt 5,7; 9,13; 23,23; Lk 1,50; 10,37; Röm 11,30; 12,8; 15,9; 2Kor 1,3; 4,1; Eph 2,4; Phil 2,1; 1Tim 1,13; Tit 3,5; 1Petr 1,3; Heb 4,16; Jak 2,13; 3,17). »Freundlichkeit« (wörtlich »Güte«) meint das freundliche, helfende Tun. Es sind die Werke, die aus dem »herzlichen Erbarmen« folgen. Die Grundbedeutung der »Güte« ist »Brauchbarkeit«: Ich lasse mich gebrauchen für den andern, ihm zu helfen.
Diese »Güte« ist Kennzeichen des Handelns Gottes, wie er uns geholfen hat und hilft (vgl. Ps 103,8; 106,1; 1 Ps 8,1-4; 136,1ff.; Jer 31,3; Kla 3,22; Mt 5,45; Röm 2,4; 11,22; 2Kor 10,1; Gal 5,22; Eph 2,7; 5,9; Phil 4,5; Jak 1,5). »Demut« ist die Haltung, (wörtlich »hinunterdenken«), in der ich dem andern begegne. Ich denke klein von mir und groß vom andern. Jesus hat das vorgelebt. Klein von sich zu denken meint dabei nicht, sich selbst krampfhaft schlecht zu machen, sondern bewusst und gern die eigene Person zurückzustellen, nichts für sich selbst zu wollen (vgl. Phil 2,3; auch 4Mose 12,3; Jes 57,15; Mi 6,8; Mt 11,29; 1Petr 3,8; 5,5). Die »Sanftmut«betont wieder das Handeln und meint in wohltuender Milde, mitfühlendem Handeln (wörtlich »erfreuend«) dem andern zur Seite stehen, so wie Jesus (vgl. Mt 11,29; auch 2Kor 10,1; Gal 5,23; Eph 4,2 und Mt 5,5; 21,5). Die »Geduld« (wörtlich »langer Mut«) bezeichnet den langen Atem in nachgehender Hilfe gegenüber dem andern. Es ist die »Frucht des Geistes« (vgl. Gal 5,22), die uns befähigt, nicht bitter zu werden und nicht mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Wieder ist Jesus das Vorbild, »der nicht widerschalt, als er gescholten ward, und nicht drohte, da er litt« (1Petr 2,23 vgl. auch 2Mose 34,6; 4Mose 14,18; Röm 2,4; 12,12; Eph 4,2; 1Petr 3,20; 2Petr 3,9; Jak 1,3ff.; Offb 1,9; 2,2ff.; Offb 3,10; 13,10).
Gerhard Maier – Edition C
Ging es bisher darum, welche Sünden der Nachfolger Jesu ablegen soll, weil er den alten Menschen ausgezogen hat, so werden nun die Tugenden behandelt, die der neue Mensch anziehen soll. Zuerst betont Paulus, welche Vorzüge dieser neue Mensch genießt: Er ist von Gott erwählt, geheiligt und geliebt. Genau diese drei Elemente begegnen uns in einem der wichtigsten Texte im AT, wenn es um die Beziehung zwischen Gott und Israel geht (vgl. 5 Mo 7,6–8). Paulus überträgt diese Eigenschaften bewusst auf die Nachfolger Jesu. Denn er ist der Überzeugung, dass auch sie, weil sie in Christus sind, zu dem erwählten Volk Gottes gehören und wie Israel damals ausgesondert sind, damit Gott seine Ziele durch sie verwirklicht, und dass sie von ihm geliebt sind.
Menschen, die sich dessen bewusst werden, leben anders als vorher. Paulus nennt fünf Eigenschaften, die sie charakterisieren sollen:
„Mitgefühl“ beschreibt die emotionale Anteilnahme am Ergehen eines anderen. Wörtlich ist die Rede von „Gedärmen der Barmherzigkeit“. Die Gedärme waren für den Menschen von damals der Sitz der Gefühle. Dort spürt man förmlich, wie man vom Leid oder von der Freude eines anderen im tiefsten Inneren bewegt wird.
„Freundlichkeit“ war in der Antike besonders hoch geschätzt. Das griechische Wort beschreibt die wohlwollende Haltung gegenüber anderen, die in konkreten Taten zum Ausdruck kommt.
Im Gegensatz dazu war „Bescheidenheit“ (wörtlich „Demut“) unter Menschen damals überhaupt nicht hoch im Kurs. Die allgemeine Haltung war, dass jeder um seinen eigenen Status und sein Prestige bemüht sein musste. Die Nachfolger Jesu sollten aber seinem Beispiel folgend „andere höher achten als sich selbst“ (Phil 2,3).
„Rücksichtnahme“ oder „Sanftmut“ wird in der Bibel oft mit Demut in Verbindung gebracht und beschreibt das aktive Bemühen um das Wohlergehen des anderen. Auch diese Eigenschaft war für Jesus charakteristisch (Mt 11,29).
„Geduld“ bezeichnet die Fähigkeit, schwierige Menschen zu ertragen. Sie gehört zu den Ureigenschaften Gottes (2 Mo 34,6; Röm 2,4).
Joel White – Kolosserbrief / Philemonbrief: Warum „Jesus allein“ eine gute Nachricht ist
Zum Verb endyo, (» ziehet an «) siehe oben. Die Verbindung mit dem vorherigen Paragraphen wird durch das Wort » nun « hergestellt sowie durch das Bild vom Anziehen. Es wurde eben vom Ausziehen des Alten gesprochen. Paulus hat die Kolosser ermahnt, nichts zu behalten, was zum alten Menschen gehört, denn wie dieser ist alles, was an ihm ist, verdorben und hat verderblichen Einfluß. Der neue Mensch hat Wesenszüge, die ganz dem entsprechen, was Christus uns in der Neuschöpfung erworben hat. Diese sollen wie ein Gewand, das keine Motte zerfressen kann, angezogen werden. Es besteht auch nicht in einem zurechtgeflickten Judentum, sondern es ist ein vollständig neues Gewand, frisch aus der himmlischen Garderobe. » Als Auserwählte Gottes, als Heilige und Geliebte « nennt die Gründe, warum dieses beste Gewand des Himmels seine Bürger zieren soll. Als » Auserwählte Gottes « sind wir der Gegenstand Seiner Wahl; als » Heilige « stellen wir die Auswirkungen Seiner Macht dar, und als » Geliebte « sind wir der Gegenstand Seiner Liebe. Das neue Gewand, das dem neuen Menschen angemessen ist, zeigt, wessen Eigentum wir sind, was wir sind, und warum wir es sind.
» Herzliches Erbarmen « ist alles andere, als die in V. 5 genannten » Leidenschaften « . splanchna hat den Sinn von zartem Mitgefühl. Zacharias singt von Gottes herzlichem Erbarmen in der Vergebung (Luk 1,78). Paulus verwendet das Wort in Phil 1,8, wo er vom » Herzen Jesu Christi « spricht. Der Verräter hatte alle Empfindungen dieser Art verloren, lange bevor ihn sein in Apg 1,18 beschriebenes Ende ereilte. Der ganze Ausdruck spricht von Mitgefühl.
» Güte « , chrästotäs, wie in Röm 2,4; 11,22. Gott Selbst wird vom Herrn Jesus in Luk 6,35 chrästos, gütig, genannt. Gott ist reich an Güte, die Er den Menschen in freundlichen Taten erweist, damit sie dadurch zur Buße geführt werden (Röm 2,4). Paulus verwendet das Wort, um den höchsten und heiligsten Ausdruck göttlicher Güte in der Gabe des Heils in Seinem Sohn zu bezeichnen (Eph 2,7; Tit 3,4) Der Geist Gottes erzeugt diese Güte im Gläubigen. Er ist es, der die Energie darreicht, um solche Freundlichkeit, die sich in gütigen Werken äußert, zu zeigen. Gemeint sind Werke des Mitgefühls. Diese beiden Teile der Kleidung des Christen passen gut zusammen, wie wir am Herrn Jesus sehen. Als der Aussätzige vor Ihn trat, schreibt Markus: » Jesus aber, innerlich bewegt (splanchnizomai), streckte seine Hand aus, rührte ihn an… « (Mk 1,41). Zuerst stieg Mitgefühl im Herzen des Retters auf, dann folgte die gütige Handlung, welche jener geplagten Seele solche Erleichterung brachte. Wie groß das Bedürfnis nach solch freundlichem Sinnen und Tun ist, läßt sich nicht ermessen; aber ebenso ohne Maß ist die Gnade, die jedem Bedürfnis zu genügen vermag. Die Frage ist: Tragen auch wir die Wesenszüge des neuen Menschen?
Die » Demut « (oder » Niedriggesinntheit «) in 2,18; 2,23 war gemacht und verlogen. Hier ist sie echt und richtig. Der Herr Jesus nannte sich selbst » demütig « (tapeinos), und Paulus mag an Ihn gedacht haben, als er den Philippern schrieb, sie sollen miteinander in » Demut « umgehen (Phil 2,3). Demut entspringt einem einfühlsamen Wesen.
» Sanftmut « (so Luther, Zü und Menge; Elbf.: » Milde «) ist in Schranken gehaltene Macht, wie bei einem wilden Pferd, das gezähmt worden ist. Der sanftmütige Gläubige ist jemand, der nicht auf seinen Rechten besteht. Zweimal wird im Evangelium des Königs der Herr » sanftmütig « genannt. Einmal sagt es der Herr von sich selbst (Matth 11,29), einmal steht es im Zitat des Propheten Sacharja (9,2; Matth 21,5). Es steht für mitfühlendes Gebaren. Wie das erste Paar, ist eines innerliche, das andere mehr nach außen sichtbar werdende Gnade. Wer nicht demütig ist, wird auch keine Sanftmut aufweisen. Die Worte in 4 Mose 12,3 sind göttlich ausgesucht: » Der Mann Mose aber war sehr sanftmütig, mehr als alle Menschen, die auf dem Erdboden waren. « Mose wird hier als ein » Mensch « gesehen; wäre das nicht der Fall, könnten wir leicht verzweifeln. Seine Sanftmut zeigte sich darin, daß er Gott urteilen ließ als er rüde provoziert wurde. Noch deutlicher wird seine Sanftmut, wenn er-das einzige Mal, das er in jenem Kapitel spricht -für seine Schwester betet, daß sie bald und vollständig von ihrer von Gott auferlegten Krankheit genesen möchte.
» Langmut « (Luther: » Geduld «) entspricht ganz wörtlich dem griechischen makrothymia. Es ist die Weigerung, zurückzugeben, wenn man herausgefordert wird. Es beinhaltet daher auch Geduld, wie es in Jak 5,10 übersetzt wird oder Ausharren, so wird es in Hebräer 6,12 wiedergegeben. Sie wird zur Frucht des Geistes gezählt, wie verschiedene Wesenszüge des vorliegenden Katalogs. Wir meinen, es unterstreiche die Notwendigkeit mitfühlender Geduld.
Benedikt Peters – Was die Bibel lehrt
https://blog.thomas-pape.de/2025/12/03/weil-ihr-von-gott-auserwaehlt-und-seine-geliebten-kinder-seid/
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