#unbelegte

Dirk Bachhausendirk@www.bachhausen.de
2025-06-18

Stichwahl in Rumänien: Simion macht unbelegte Behauptung zu „Millionen Toten“ im Wählerverzeichnis

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Faktencheck

Stichwahl in Rumänien: Simion macht unbelegte Behauptung zu Millionen Toten im Wählerverzeichnis

Die Namen von Millionen Toten sollen in den Wählerverzeichnissen gestanden haben, behauptet der bei der rumänischen Präsidentschaftswahl unterlegene George Simion. Tausende Beweise will er haben. Die liefert er jedoch nicht und auch die Wahlbehörde in Rumänien hat von seiner angeblichen Mitteilung dazu an die Behörde nie gehört.

von Steffen Kutzner

18. Juni 2025

Standen bei der Präsidentschaftswahl im Mai in Rumänien Millionen Namen Verstorbener in den Wählerverzeichnissen? Der unterlegene Kandidat George Simion behauptet das, liefert aber keinerlei Beweise. (Bild: Andreea Alexandru / Associated Press / Picture Alliance) Behauptung

Bei der Wahl in Rumänien Anfang Mai hätten die Namen von Millionen verstorbenen Personen auf den Wählerlisten gestanden.

Aufgestellt von: George Simion Datum:
04.05.2025

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Unbelegt. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass in Rumänien Millionen Tote auf den Wählerlisten gestanden hätten. Simion nannte auf Nachfrage keine Quellen oder Belege für seine Behauptung. Die rumänische Wahlbehörde und das rumänische Innenministerium dementieren diese. Die Wahlbehörde hat auch Simions angebliche Mitteilung zu Unregelmäßigkeiten nach eigenen Angaben nie erhalten.

Der pro-europäische Kandidat, Nicușor Dan, gewann am 18. Mai 2025 im zweiten Wahlgang die Präsidentschaftswahl in Rumänien. Doch schon Tage vor dem ersten Wahlgang am 4. Mai kursierten Behauptungen über angeblichen Wahlbetrug – verbreitet unter anderem vom später unterlegenen Kandidaten der rechtsextremen Partei AUR (Allianz für die Vereinigung der Rumänen), George Simion.

In Rumänien wird der Präsident direkt vom Volk gewählt: Bekommt ein Kandidat im ersten Wahlgang keine absolute Mehrheit, erfolgt in einem zweiten Wahlgang eine Stichwahl der zwei führenden Kandidaten. In diesem Fall waren das Dan und Simion.

Schon vor dem ersten Wahlgang behauptete Simion in einem Tiktok-Video vom 1. Mai, dass die Namen von vier Millionen Toten auf den Wählerlisten stehen würden. In einer Pressekonferenz, die mutmaßlich am 4. Mai stattfand, sprach er dagegen von 1,7 Millionen. Auch in einem weiteren Video vom 18. Mai, also dem Tag des zweiten Wahlgangs, spricht er von 1,7 Millionen. Ausschnitte seiner Aussagen kursieren international auf X, Youtube und Tiktok. Er habe „ausreichend Beweise“ und „tausende Fälle“, die das belegen, behauptet Simion. Die liefert er aber nicht. 

Keine Belege für Millionen von Toten auf Wählerlisten

Konkret geht die Erzählung so: Simion und sein Team hätten eine Wählerliste von nicht näher genannten rumänischen Behörden erhalten und dann Wählerbriefe an die darin aufgelisteten Haushalte von älteren Personen geschickt. Viele Familien hätten sich anschließend gemeldet und erklärt, dass die Haushalte Briefe für Personen erhalten hätten, die schon seit teilweise 20 Jahren tot seien.

Wir haben bei Simion per E-Mail nachgefragt, ob er eine Quelle für seine Behauptung nennen könne. Eine Antwort erhielten wir nicht. Auch welche Beweise Simion oder sein Team angeblich haben, bleibt offen. Von den behaupteten tausenden Familien, die einen Wahlbrief für tote Personen erhalten haben sollen, finden sich keine Berichte

Wahlbehörde in Rumänien dementiert Simions Anschuldigungen 

Das Innenministerium von Rumänien wies die Behauptung von Simions Partei bereits vor dem ersten Wahltag am 1. Mai zurück. Die rumänische Wahlbehörde widersprach den Anschuldigungen über Ungenauigkeiten in den Wählerlisten nach den Wahlen unter anderem in einem Statement vom 18. Mai. Dass sie, wie von Simion behauptet, über die Vorwürfe informiert worden sei, ist offenbar ebenfalls falsch. Es liege „keine offizielle Mitteilung einer politischen Partei über Fälle verstorbener Personen, die in den Wählerlisten für die Wahl des rumänischen Staatspräsidenten am 18. Mai 2025 aufgeführt sind“ vor. 

Die Wahlbehörde verweist zudem auf die Zuständigkeit der einzelnen Gemeinden: Die Bürgermeister und deren zuständige Mitarbeiter seien für die Aktualisierung der Wählerlisten verantwortlich. Wir haben einige Gemeinden in Rumänien gefragt, ob sie Kenntnis davon haben, dass Verstorbene auf den Listen stehen. Keine der Gemeinden konnte das bestätigen. Sie verwiesen darauf, dass die Namen von Verstorbenen spätestens binnen 48 Stunden nach dem Ausstellen der Sterbeurkunde von den Wählerlisten gestrichen würden.

Auffällig ist auch: Den ersten Wahlgang, den Simion gewann, focht die Partei nicht an: „‚Wir haben heute gemeinsam Geschichte geschrieben‘, sagte Simion in einer in der AUR-Parteizentrale ausgestrahlten Videobotschaft“, wie es bei der Tagesschau heißt. 

Es gibt also keinerlei Belege für Simions Anschuldigungen. Das rumänische Verfassungsgericht lehnte seinen Antrag auf Annullierung des zweiten Wahlgangs einstimmig ab.

Trump-Fan Simion wiederholt Falschbehauptung von gestohlener Wahl

Das Verfassungsgericht hatte die erste Präsidentschaftswahl von November 2024 im Dezember annulliert, weil vermutet wurde, dass der Gewinner, ein bis dahin praktisch unbekannter Politiker und Nationalist namens Călin Georgescu aus Russland unterstützt worden war und dadurch unter anderem eine große Präsenz auf Tiktok erreicht hatte, die ihm zum Sieg verhalf.

Bei der Wiederholungswahl kam Simion im ersten Wahlgang auf 41 Prozent der Stimmen und sein stärkster Konkurrent, Nicușor Dan, auf lediglich 21 Prozent. Beim zweiten Wahlgang am 18. Mai erhielt Dan dann etwa 54 Prozent der Stimmen und verwies Simion auf den zweiten Platz mit 46 Prozent. Grund für den Anstieg war unter anderem eine

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Author: Steffen Kutzner

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Dirk Bachhausendirk@www.bachhausen.de
2025-03-12

Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer verbreiten unbelegte Zahlen zu Kriegstoten in der Ukraine

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Sahra Wagenknecht (BSW) behauptet auf X, der Krieg in der Ukraine hätte „über eine Million Tote an den Fronten“ gefordert. Belege für die Behauptung nennt Wagenknecht nicht, aber der Beitrag verlinkt einen Artikel in der Zeitschrift Emma.

Im Februar 2023 hatte Sahra Wagenknecht – damals noch Linken-Chefin – zusammen mit der Journalistin und Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer die Petition „Manifest für Frieden“ gestartet, um nach eigenen Angaben Waffenlieferungen an die Ukraine zu stoppen und Friedensverhandlungen voranzutreiben. Sie wurden dafür vielfach kritisiert. Im Februar 2025 verwies Schwarzer in dem von Wagenknecht geteilten Artikel erneut auf das Manifest und argumentierte dabei unter anderem mit Zahlen zu Todesopfern an der ukrainischen Front. Allerdings nennt sie dabei einerseits unterschiedliche Zahlen, andererseits verweist auch sie auf keinerlei Quellen, um diese zu belegen.

Wagenknechts X-Beitrag wurde knapp 300 mal geteilt, die Behauptung verbreitete sich danach weiter. Doch gesicherte Zahlen über Kriegsopfer gibt es nicht. Wagenknechts und Schwarzers Aussage übertrifft seriöse Schätzungen um ein Vielfaches.

Sahra Wagenknecht behauptet, an den Fronten in der Ukraine hätte es über eine Million Tote gegeben. (Quelle: X, Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Warum ist es so schwer, Kriegstote zu zählen?

Das Grundproblem: Es ist schwierig, gesicherte Zahlen zu in Kriegen getöteten und verwundeten Soldatinnen und Soldaten zu erheben. Das liegt unter anderem daran, dass Kriegsparteien Interesse daran haben, ihre eigenen Opferzahlen zu unter- und die des Gegners zu übertreiben. So lassen sich die öffentliche Meinung beeinflussen, Verbündeten bestimmte Narrative vermitteln und die Moral der Truppen stärken, wie eine Gruppe Forschender aus den USA und der Schweiz schildert. Auch Rafael Loss, Koordinator für paneuropäische Datenprojekte der Denkfabrik European Council on Foreign Relations, sagte der Tagesschau, es sei „nahezu unmöglich, Verluste an Mensch und Material in einem laufenden Krieg zweifelsfrei nachzuverfolgen.“

Werfen wir zunächst also einen Blick darauf, welche Zahlen die Ukraine und Russland selbst kommunizieren: Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach Mitte Februar 2025 gegenüber dem US-Sender NBC von seit Kriegsbeginn 46.000 getöteten Soldaten, 380.000 Verwundeten und „zehntausenden Vermissten oder Kriegsgefangenen“ auf Seiten der Ukraine. Der ukrainische Generalstab gab laut Medienberichten Mitte Februar 2025 an, dass Russland über 850.000 Streitkräfte verloren habe.

Die russische Regierung hingegen äußerte sich zuletzt im September 2022 über die eigenen Verluste. Damals behauptete der damalige Außenminister Sergei Shoigu, knapp 6.000 russische Soldaten seien seit Beginn der Invasion gestorben. Im Dezember 2024 sprach der Verteidigungsminister Andrei Belousov von knapp einer Million getöteten und verwundeten ukrainischen Soldaten seit Kriegsbeginn.

Die Angaben der beiden Kriegsparteien sind jedoch kritisch zu betrachten. Die Forschungsgruppe aus den USA und der Schweiz wertete für ihre Studie von August 2023 einen Datensatz von rund 4.600 Berichten über militärische und zivile Opfer auf beiden Seiten aus. Sie kamen zu dem Fazit, dass Sowohl Russland als auch die Ukraine die Verluste des Gegners gegenüber der Öffentlichkeit überschätzten, und insbesondere Russland die eigenen personellen Verluste herunterspiele.

Welche anderen Schätzungen gibt es?

Welche von den beiden Regierungen unabhängigen Schätzungen gibt es also? Das russische kremlkritische Medium Mediazona erfasste in Zusammenarbeit mit der BBC die Namen von über 90.000 getöteten russischen Militärangehörigen anhand von Nachrufen in Sozialen Netzwerken, lokalen Medienberichten und behördlichen Mitteilungen. Da jedoch nicht alle militärischen Opfer über solche Wege bekannt werden, schätzen sie die tatsächliche Zahl der Toten auf russischer Seite bis Januar 2025 auf zwischen 138.000 und 200.000.

Die Projekte UA Losses und Lost Armour geben gegenüber der New York Times an, nach einer ähnlichen Methode Todesfälle des ukrainischen Militärs zu erfassen. Sie zählen aktuell 70.000 beziehungsweise rund 65.000 Tote (Stand: 11. März 2025). Auch hier ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Zahl deutlich höher ist: Lost Armour schätzt, dass bis Dezember 2024 über 100.000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten gestorben sind. Damit läge die Zahl der insgesamt auf beiden Seiten getöteten Soldaten zwischen 238.000 und 300.000.

Auch das US-amerikanische Wall Street Journal schätzte die Zahl der getöteten russischen Soldatinnen und Soldaten im September 2024 unter Berufung auf westliche Geheimdienste auf 200.000, während das Ukrainische Militär bis dahin 80.000 getötete Soldaten verzeichnet haben soll. Die Zahlen passen somit zu den oben genannten Schätzungen.

Wie verlässlich diese Schätzungen sind, lässt sich nur schwer sagen. Aber fest steht: Trotz der Unsicherheit über die genaue Zahl übertrifft die von Wagenknecht und Schwarzer genannte Zahl gängige Schätzungen um ein Vielfaches.

Verwechslung von Kriegsopfern und Toten?

Eine mögliche Erklärung dafür könnte in einer falschen Interpretation oder Übersetzung von Berichten liegen: Im Englischen ist häufig von „Casualties“ die Rede – das Wort kann Todesopfer bedeuten, im militärischen Kontext sind in der Regel jedoch getötete und verletzte Soldaten gemeint. Je nach Definition werden darüber hinaus auch Vermisste und Kriegsgefangene mitgezählt.

Die Zahl der Toten und Verwundeten zusammen dürfte gegen Ende 2024 auf über eine Million angestiegen sein. Das geht aus übereinstimmenden Einschätzungen von Selenskyj, NATO-Generalsekretär Mark Rutte und einer Recherche des Wall Street Journal hervor. Laut Zählungen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) hat der Ukraine-Krieg zudem bis Februar 2025 mindestens 12.600 zivile Opfer gefordert.

Immer wieder zitieren Medien und Analysten Statistiken zu „Casualties“ und betiteln dabei die Summe der Toten und Verwundeten fälschlicherweise als Todeszahlen. Auch Donald Trump sorgte im August 2024 für Aufsehen, als er über die Ukraine behauptete, „eine Million Menschen“ könnten noch am Leben sein, wenn er 2020 gewählt worden wäre. Im Januar sprach er sogar von 1,7 Millionen Toten. In beiden Fällen gehen Experten davon aus, dass er Tote und Verletzte zusammenzählte.

Auf unsere Anfragen an Sahra Wagenknecht und die Redaktion von Emma erhielten wir keine Antwort.

Redigatur: Uschi Jonas, Gabriele Scherndl

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Author: Johannes Gille

#alice #sahra #schwarzer #unbelegte #verbreiten #wagenknecht #zahlen

Dirk Bachhausendirk@www.bachhausen.de
2024-12-12

Zehn-Punkte-Plan enthält unbelegte und falsche Behauptungen über Friedrich Merz

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Im September 2024 nominierte die Union Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten. Knapp zwei Monate später löste sich die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP auf. Nun soll es am 23. Februar 2025 zur Neuwahl kommen. Während die Bundestagsparteien darum ringen, welche Gesetzesvorhaben noch durchgebracht werden können, hat der Wahlkampf in Sozialen Netzwerken längst begonnen – und so auch die Verbreitung von irreführenden und falschen Meldungen zu Politikern und Parteien.

Dort verbreiten sich Sharepics mit zehn vermeintlichen Forderungen von Friedrich Merz, die er als Kanzler umsetzen würde: Von der Erhöhung des Rentenalters bis zum Verbrenner-Aus. 

Im November 2024 kursieren diese Sharepics zu angeblichen Plänen des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz für seine mögliche Kanzlerschaft. Die meisten der Behauptungen sind falsch. (Quelle: Facebook / Tiktok; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Wer die Sharepics erstellt hat, ist unklar. Beiträge damit erreichten auf Tiktok, Instagram und Facebook hunderttausende Aufrufe. „Absolut unwählbar“, oder „schade, aber mit diesen Vorhaben unwählbar“, heißt es dazu. 

Auf Tiktok kursiert der angebliche Plan in leichter Abwandlung auch als Audioformat. Wir konnten 55 Videos identifizieren (Stand: 11. Dezember 2024), in denen die Tonspur enthalten ist. Diese Videos erreichten etwa zwei Millionen Aufrufe. Viele der Tiktok-Profile sprechen sich in weiteren Videos für die AfD aus – so auch der Erstverbreiter. Zu seinem Video schreibt er: „Warum wollt ihr die CDU wählen? Ich gebe euch Gründe warum ihr es nicht tun solltet.“ Wir haben ihn mit unserer Recherche konfrontiert, erhielten bis zur Veröffentlichung jedoch keine Antwort. 

Im Folgenden klären wir auf, ob und inwiefern Friedrich Merz die genannten Forderungen gestellt hat.

Behauptung 1: Merz plane, das Rentenalter auf 70 Jahre zu erhöhen

Bewertung: Unbelegt. Wie die Rentenversichung und die Bundeszentrale für politische Bildung auf ihren Webseiten informieren, konnten und können die Geburtsjahrgänge 1947 bis einschließlich 1963 in einem Alter zwischen 65 und 67 Jahren ohne Abschlag in Rente gehen. Personen, die ab 1964 geboren wurden, können das erst im Alter von 67 Jahren. Das ist die aktuelle sogenannte Regelaltersgrenze.

Aktuell liegt die Regelaltersgrenze für die Rente bei 67 Jahren. Dafür, dass CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz plant, die Grenze auf 70 Jahre zu erhöhen, gibt es keine Belege. (Quelle: Frank Hoermann / Sven Simon / Picture Alliance)

Laut den Sharepics plane Merz, diese Grenze auf 70 Jahre zu erhöhen. Die Behauptung bezieht sich wohl auf Medienberichte aus dem Jahr 2000. Zum Beispiel schrieb der Spiegel: „Bereits am vergangenen Wochenende hatte der Unionsfraktions-Vorsitzende vor einer Verkürzung der Lebensarbeitszeit gewarnt. Die junge Generation müsse damit rechnen, bis zum Alter von 70 Jahren zu arbeiten, ehe sie in Rente gehen könne.“

Eine „Rente mit 70“ soll es laut Merz nicht geben: „Weder im Wahlprogramm noch in einem möglichen Koalitionsvertrag“, sagte er im August 2024 gegenüber Medien.

Ein Pressesprecher von Merz verwies uns auf Nachfrage auf das aktuelle Grundsatzprogramm der CDU, in dem sich ebenfalls keine konkrete Forderung nach einem Rentenalter von 70 Jahren befindet. Jedoch heißt es auf Seite 58: „Wenn wir unsere Rente stabil und finanzierbar halten wollen, spricht viel dafür, dass die Lebensarbeitszeit für diejenigen, die arbeiten können, steigen muss, und folglich die Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung gekoppelt wird.“ Da die Lebenserwartung in Deutschland steigt, Personen also grundsätzlich länger leben, würde das Renteneintrittsalter laut dem CDU-Vorschlag weiter steigen. Auf welche Altersgrenze genau, wird nicht definiert.

Behauptung 2: Merz plane den Rentenbezug nach 45 Arbeitsjahren, also die „Rente mit 63“, abzuschaffen

Bewertung: Unbelegt. Es geht hier um die Altersgrenze, ab der man ohne Abschläge in Rente gehen darf. Wie bereits erklärt, liegt die Regelaltersgrenze für Personen, die ab 1964 geboren wurden, aktuell bei 67 Jahren.

Früher in Rente zu gehen, ist möglich, wenn eine Versicherungszeit von 45 Jahren nachgewiesen wird. Das ist die Rente für „besonders langjährig Versicherte“. Der Begriff „Rente mit 63“ sei irreführend, erklärt uns eine Sprecherin der Deutschen Rentenversicherung auf Nachfrage per E-Mail. Der Begriff entstand, weil laut einer gesetzlichen Regelung aus dem Jahr 2014 alle Menschen, die vor 1953 geboren sind, mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen durften. Die Personen sind heute mindestens 72 Jahre alt und somit alle längst in Rente. Für alle späteren Jahrgänge galt diese Regelung nie. Für sie wird die Regelaltersgrenze schrittweise angehoben. Wer zwischen 1953 und 1963 geboren ist, kann im Alter zwischen 63 und 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Für alle Personen ab dem Geburtsjahr 1964 ist das erst im Alter von 65 Jahren möglich.

Immer wieder berichten Medien über Vorstöße, zum Beispiel aus der Wirtschaft, die „Rente mit 63“ beziehungsweise die Rente für „besonders langjährig Versicherte“ abzuschaffen oder einzuschränken. 2023 forderte zum Beispiel Jens Spahn (CDU) laut Medienberichten eine „sofortige Abschaffung“ der „Rente mit 63“ wegen des Fachkräftemangels. Auch Merz sehe die „Rente mit 63“ „kritisch“, hieß es in den Berichten. 

Wir fragten bei der CDU-Pressestelle nach, ob Merz die Abschaffung des Rentenbezugs nach 45 Arbeitsjahren plane. Eine konkrete Antwort erhielten wir nicht. Ein Pressesprecher verwies uns auf das Grundsatzprogramm der CDU. Darin steht lediglich: „Wer gearbeitet hat und Beiträge gezahlt hat, muss mehr haben als jemand, der dies nicht getan hat. Deshalb werden wir langfristig sicherstellen, dass die gesetzliche Rente für Menschen, die 45 Jahre Vollzeit zum Mindestlohn gearbeitet und Beiträge gezahlt haben, […] deutlich oberhalb der Grundsicherung im Alter liegt.“ Was das bedeutet, bleibt aber unklar.

Behauptung 3: Merz plane ein soziales Arbeitsjahr ohne Lohn für Rentner

Bewertung: Falsch. Medienberichten zufolge sprach sich Friedrich Merz 2022 für ein soziales Pflichtjahr für junge Leute aus. Von Rentnerinnen und Rentnern war nicht die Rede. Mehrere Google-Suchen belegen: Für die Behauptung gibt es keine belastbare Quelle. Auf Anfrage schrieb uns die CDU-Pressestelle: „Zu diesem Thema kursierende Beiträge sind allesamt Unfug, Herr Merz hat nichts dergleichen gefordert.“ Auch im Grundsatzprogramm ist keine Rede von solchen Plänen. Die CDU schlägt laut dem Programm eine „Aktivrente“ vor: Wer über das gesetzliche Rentenalter hinaus arbeiten möchte, soll demnach das Gehalt zu einem bestimmten Betrag steuerfrei erhalten. 

Eine ähnliche Falschmeldung über Merz kursierte schon im November 2024. Anders als behauptet, kündigte er nicht an, eine Wehrpflicht für Rentner zu diskutieren.

Behauptung 4: Merz plane die „Umsetzung des Lastenausgleichs“

Bewertung: Falsch. Der Begriff „Lastenausgleich“ stammt vom Lastenausgleichsgesetz, das im September 1952 in Kraft trat. Damals wurden Menschen finanziell entschädigt, die nach dem Zweiten Weltkrieg durch Zerstörung, Vertreibung oder die 1948 in Kraft getretene Währungsreform materielle Verluste erlitten hatten. Dafür wurden Abgaben von denjenigen Bürgerinnen und Bürgern erhoben, „die sich über die Kriegs- und Nachkriegszeit hinweg Vermögen erhalten konnten“.Dafür, dass der CDU-Kanzlerkandidat eine Form des Lastenausgleichs plane, gibt es keine Belege. Ein Pressesprecher der CDU dementiert die Behauptung, er schreibt: „Dieses Zitat stammt nicht von Friedrich Merz.“

Schon im Frühjahr 2022 kursierte eine ähnliche Falschmeldung. Damals hieß es, eine Gesetzesänderung habe dazu geführt, dass Bürgerinnen und Bürger ab Januar 2024 für Schadensersatzforderungen aufkommen müssen, die Menschen mit Impfschäden stellen – ein angeblicher „Lastenausgleich“. Wie wir berichteten, war die Behauptung falsch.

Mit der vom Bundestag am 12. Dezember 2019 beschlossenen Reform des Sozialen Entschädigungsrechts erhalten Geschädigte durch Schutzimpfungen zwar sogenannte „Leistungen der Sozialen Entschädigung“, aber nicht durch einen solchen Lastenausgleich, sondern durch Zahlungen vom Bund. So steht es auch auf der  Webseite des Bundesministeriums für Soziales und Arbeit.

Behauptung 5: Merz plane eine „eventuelle“ Koalition mit den Grünen“

Bewertung: Unbelegt. Friedrich Merz hat eine Koalition mit Grünen nicht kategorisch ausgeschlossen. Laut Medienberichten hat er sich beim Parteitag der CSU im Oktober – anders als Markus Söder – ein „Türchen“ offen gelassen. Denn er habe gesagt: „Mit diesen Grünen, so wie sie heute da sind, ist auch aus meiner Sicht eine Zusammenarbeit nicht denkbar und nicht möglich.“ Anfang Dezember berichtete die Tagesschau, Merz sehe „in der Außen- und Sicherheitspolitik mehr Gemeinsamkeiten mit den Grünen als mit der SPD“. Was nach der Wahl passieren wird, ist offen.

Behauptung 6: Merz plane „weitere Milliarden für die Ukraine“

Bewertung: Fehlender Kontext. Friedrich Merz möchte die Ukraine weiter unterstützen, wie und in welcher Höhe ist allerdings unklar. Bei seinem Besuch in der Ukraine am 9. Dezember 2024 bekräftigte der CDU-Kanzlerkandidat, dass er offen für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern sei. Medienberichten zufolge lag der Stückpreis des Waffensystems bei etwa einer Million Euro, eine Neuanschaffung soll inzwischen mindestens doppelt so viel kosten. Eine potenzielle Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine käme also einer indirekten monetären Unterstützung in millionenfacher Höhe gleich.

CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (rechts) besucht den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (links) in Kiew (Quelle: Michael Kappeler / DPA / Picture Alliance)

In einer Variante des Sharepics heißt es, dass Merz gleichzeitig zu den „Milliarden für die Ukraine“ in Deutschland die Renten kürzen wolle. Gegenüber der Jungen Union, der Jugendorganisation der CDU/CSU, betonte Merz im Oktober 2024: Mit ihm werde es keine Rentenkürzungen geben. 

Doch momentan ist fraglich, was hinter dieser Aussage steckt. Denn Tatsache ist auch, dass die derzeit geltende Garantie für das Rentenniveau 2025 auslaufen wird. Mit dieser Garantie galt bislang: Wer 45 Beitragsjahre geleistet und das Durchschnittsgehalt verdient hat, bekommt eine monatliche gesetzliche Rentenzahlung, die nicht unter 48 Prozent des Durchschnittsgehalts fällt. 

In einem Gesetzentwurf der ehemaligen Ampel-Regierung war unter anderem vorgesehen, dieses Rentenniveau bis 2039 weiter zu garantieren. Die CDU/CSU sowie die FDP, als ehemaliger Koalitionspartner, machten laut Medienberichten aber deutlich, dass sie dem Entwurf nicht zustimmen würden. Laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann das sogenannte „Rentenpaket 2“ in dieser Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt werden. Wie es mit der Sicherung des Rentenniveaus weitergeht, ist folglich offen. Im CDU-Grundsatzprogramm findet sich dazu keine konkrete Angabe.

Behauptung 7: Merz wolle das „Verbrenner-Aus vollziehen“

Bewertung: Falsch. Ab 2035 dürfen in der EU nur noch Neuwagen verkauft werden, die beim Fahren keine CO2-Emissionen verursachen. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor können zugelassen werden, wenn sie mit E-Fuels betrieben werden. Diese Regelung entspricht einem Verbot der bisherigen Diesel- und Benzinmotoren, also einem „Verbrenner-Aus“. Anders als behauptet, hat sich Friedrich Merz 2024 jedoch nicht dafür, sondern dagegen ausgesprochen.

Weg vom Verbrenner, hin zum Elektroauto? CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz kündigte an, den Verbrenner – entgegen der aktuellen Regelung – wieder zulassen zu wollen. (Quelle: Nicolas Guyonnet / DPA / Picture Alliance)

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (hier und hier) sagte Merz bei einer Wahlkampfveranstaltung in Saarlouis im Mai 2024: „Dieses Verbot des Verbrenners muss rückgängig gemacht werden […].“

Als Merz am 17. September 2024 (Minute 9:21) gefragt wurde, ob er sich unter „einer Regierung Merz“, dafür einsetzen würde, dass „der Verbrenner wieder ein zugelassenes Antriebsmittel ist?“, antwortete Merz: „Die Antwort ist klar und eindeutig: ja.“

Behauptung 8: Merz plane ein Prozent des Lohns für Ausbauhilfe in der Ukraine einzusetzen

Bewertung: Falsch. Ein CDU-Sprecher schreibt, dass die Aussage nicht von Friedrich Merz stamme. Mehrere Stichwortsuchen bei Google führen zu keinerlei belastbaren Quelle für diese Behauptung.

Behauptung 9: Merz wolle die „CO2-Steuer erhöhen“

Bewertung: Größtenteils falsch. Es gibt keine „CO2-Steuer“. Gemeint ist hiermit wohl die CO2-Bepreisung, die es schon sehr lange gibt und die die Bürgerinnen und Bürger indirekt zahlen. Es handelt sich dabei um einen Preis pro Tonne CO2, den „Inverkehrbringer“ von Brennstoffen zahlen müssen. Unternehmen, die mit Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel handeln, müssen seit dem 1. Januar 2021 dafür einen CO2-Preis bezahlen. Das ist der sogenannte nationale EmissionshandelDer CO2-Preis pro Tonne lag 2024 bei 45 Euro, ab Januar 2025 soll er auf 55 Euro steigen – das hat aber nicht Friedrich Merz so geplant, sondern steht seit Jahren im Brennstoffemissionshandelsgesetz. In der Folge wird erwartet, dass zum Beispiel der Verbraucherpreis für Benzin steigt. 

Im Grundsatzprogramm der CDU steht dazu folgendes: „Wir setzen auf einen weltweiten Emissionshandel. Der Emissionshandel ist als marktwirtschaftliches Instrument unser Weg, um das Klima effizient zu schützen. […] Der Staat muss den Menschen etwas zurückgeben. Für die Akzeptanz dieses Instruments ist es wichtig, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung grundsätzlich zur Entlastung von Bürgern und Wirtschaft zu nutzen.“

Wir bewerten die Behauptung als größtenteils falsch, weil Friedrich Merz keine CO2-Steuer erhöhen will, aber die CDU den Emissionshandel generell befürwortet.

Fazit: Mehrheit der Behauptungen auf den Sharepics über Friedrich Merz sind unbelegt oder falsch

Der letzte Punkt des angeblichen Zehn-Punkte-Plans lautet: „Fortführung des Energiewahnsinns.“ Da es sich dabei um eine Meinungsäußerung handelt, ist die Aussage nicht für einen Faktencheck geeignet.

Die anderen Behauptungen unterstellen Friedrich Merz Aussagen, die er nicht gemacht hat und Vorhaben, die er so nicht angekündigt hat oder aktuell nicht belegbar sind. In einem Fall ist die Behauptung insofern richtig, als dass Merz die Ukraine zumindest durch die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern unterstützen möchte.

Seit dem Aus der Ampelregierung Anfang November 2024 kursierten bereits mehrere Behauptungen über den CDU-Kanzlerkandidaten. Beispielsweise zu seiner Abstimmung gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe. Auch eine Aussage von Merz über den Krieg mit Russland wurde irreführend verkürzt. Anders als behauptet sagte er nicht, dass er keine Angst vor einem Atomkrieg mit Russland habe.Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier.

Redigatur: Matthias Bau, Sophie Timmermann 

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Grundsatzprogramm der CDU, 7. Mai 2024: Link (archiviert)

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Author: Kimberly Nicolaus

#behauptungen #enthalt #falsche #friedrich #punkte #unbelegte

Dirk Bachhausendirk@www.bachhausen.de
2024-06-12

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Faktencheck

Europawahl 2024 in Potsdam: Mann erhebt unbelegte Vorwürfe gegen Wahlhelfer – Stadt erstattet Anzeige

Auf Tiktok behauptete ein Mann, Wahlhelfer in Potsdam hätten ihn beleidigt, Wählende dazu aufgefordert, nicht für die AfD zu stimmen und es habe Schredder gegeben. Doch die Polizei und die Landeshauptstadt widersprechen, es gibt keine Belege für den Vorfall.

von Uschi Jonas

12. Juni 2024

Nach der Europawahl 2024 verbreiten Personen im Netz zahlreiche unbelegte Vorwürfe der Wahlmanipulation – zuungunsten der AfD. So auch ein Mann in Potsdam in zwei Tiktok-Videos. Gegen ihn hat die Stadt jetzt Anzeige erstattet. (Quelle: Tiktok; Screenshots, Collage und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck) Behauptung

Ein Mann behauptet, er habe in einem Wahllokal in Potsdam beobachtet, dass Wahlhelfer Wählende davon abhalten wollten, die AfD zu wählen. Er sei von den Wahlhelfern beleidigt und des Wahllokals verwiesen worden. Schredder seien ins Wahllokal gebracht worden; auf sein erneutes Nachfragen dazu habe ihn ein Sicherheitsmann aus dem Wahllokal geschmissen. Der Mann habe deshalb die Polizei gerufen und ausgesagt, dass ihn eine Wahlhelferin fälschlich als Nazi beleidigt habe.

Aufgestellt von: viralen Beiträgen auf Tiktok Datum:
09.06.2024

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Unbelegt. Es gibt keine Belege für die Vorwürfe des Mannes. Der Polizei ist kein solcher Vorfall bekannt. Die Stadt weist die Vorwürfe zurück und hat gegen den Mann Strafanzeige erstattet.

Nach der Europawahl 2024 kursieren in Sozialen Netzwerken zahlreiche Beiträge, in denen Vorwürfe zu angeblicher Wahlmanipulation zuungunsten der AfD geteilt werden. Die Bundeswahlleitung schrieb am Wahlsonntag auf X, dass es keinerlei Belege für solche Vorwürfe gebe.

Darunter ist auch der angebliche Fall eines Mannes in Potsdam. Auf Tiktok teilte er noch am Wahlsonntag zwei Videos, in denen er schwere Vorwürfe gegen die örtliche Wahlleitung der Wahlbezirke 7110, 7111, 7112 erhebt: „Ich wurde rausgeschmissen und warte jetzt auf die Polizei! Ich gehe von Wahlbetrug in Potsdam aus, deshalb der Rausschmiss“, schreibt er dazu. Die Videos erreichten mehr als eine Million Views. Sie sind inzwischen auf Tiktok gelöscht, kursieren aber noch auf X und Telegram und werden auch auf Youtube aufgegriffen.

Vermeintlicher Wähler verbreitet unbelegte Vorwürfe über Wahlvorgang in Potsdam

Das erste Video wurde offenbar tatsächlich in Potsdam aufgenommen, im Video sind Hinweiszettel für die drei Stimmbezirke zu sehen, für die das Wahllokal in der Grundschule am Pappelhain eingerichtet war. Der Mann filmt sich davor und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Wahlhelfer: Im Wahllokal habe er beobachtet, wie diese den Wählerinnen und Wählern gesagt hätten, sie sollten nicht die AfD wählen. Er habe nachgefragt, was das soll. Daraufhin sei er beleidigt worden, er solle seinen „Mund halten“ und sei später von einem Sicherheitsmann des Wahllokals verwiesen worden. 

Und weiter: „Um 16.45 Uhr kam ein Wahlhelfer rein und der hat Schredder verteilt. Da hab ich gefragt, warum Schredder verteilt werden.“ Der Wahlhelfer habe dazu gesagt, das gehe ihn nichts an. „Daraufhin hab ich gesagt, hier werden aber nicht irgendwelche Wahlbetrugsgeschichten begangen?“, so der Mann weiter. Dann sei er erneut des Wahllokals verwiesen worden. Als er nicht habe gehen wollen, habe ihn ein Sicherheitsmann am Nacken gepackt. 

Im zweiten Video gehen die Vorwürfe noch weiter: Eine Wahlleiterin habe ihn als Nazi beleidigt, er habe die Polizei gerufen und das zu Protokoll gegeben – die Wahlleiterin hätte gegenüber der Polizei zugegeben, ihn beleidigt zu haben.   

Polizei Potsdam ist kein derartiger Vorfall bekannt – Landeshauptstadt erstattet Strafanzeige

Doch: Es gibt keinerlei Belege dafür, dass es diesen Vorfall gab. Wir haben bei der Polizei Potsdam, bei der Stadt Potsdam und der Bundeswahlleitung nachgefragt. 

Eine Sprecherin der Polizeidirektion West, zuständig für Potsdam, schreibt, dass es keinen zu dem geschilderten Vorfall passenden Einsatz gegeben habe, auch darüber hinaus sei der Polizei kein solcher Sachverhalt im genannten Wahllokal bekannt. 

Eine Sprecherin der Stadt Potsdam teilte uns mit, dass der Landeshauptstadt die zwei Videos bekannt seien. „Die dort erhobenen Vorwürfe und Behauptungen wurden intensiv geprüft. Nach derzeitigem Erkenntnisstand gibt es keine Hinweise auf einen solchen Vorfall.“ Deshalb sei davon auszugehen, dass es sich um eine gezielte Verbreitung von Desinformationen handele, deren Ziel darin bestehe, Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung von Wahlen zu säen. „Der Wahlleiter der Landeshauptstadt Potsdam hat deshalb heute Strafanzeige beim Polizeipräsidium Polizeidirektion West wegen Vortäuschen einer Straftat gemäß Paragraph 145d StGB erstattet.“

Die Sprecherin der Landeshauptstadt erklärte zudem, es habe keine Schredder im Wahllokal gegeben, der Mann im Video sei von den Wahlhelfenden nicht gesehen worden – weder als Wähler noch als Wahlbeobachter. Auch seien keine Sicherheitskräfte in Potsdamer Wahllokalen im Einsatz gewesen. Und: „Selbstverständlich ist es Privatpersonen erlaubt, länger im Wahllokal zu verweilen: Jede Person kann sich als Wahlbeobachter im Wahllokal aufhalten. Die Beobachtung ist ab Öffnung der Wahllokale bis zum Ende der Stimmenauszählung jederzeit möglich.“

Auch der Bundeswahlleitung sind keine derartigen Vorwürfe bekannt

Auch eine Sprecherin der Bundeswahlleiterin äußerte sich auf unsere Nachfrage zu den Vorwürfen:Der Bundeswahlleiterin seien keine derartigen Störungen bei der Wahlbeobachtung oder regelwidriges Handeln von Wahlvorständen bekannt. 

Da der Tiktok-Account des Manns nicht mehr verfügbar ist, konnten wir ihm keine Möglichkeit zur Stellungnahme geben.

Redigatur: Gabriele Scherndl, Kimberly Nicolaus

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Author: Uschi Jonas

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