Traktat über die Distanz der Sympathie
(unter besonderer Berücksichtigung des vor uns liegenden saisonalen Wahnsinns)
#WortzumSonntag
Echte Sympathie braucht Raum zum Atmen – nicht das erstickende
„Wir mögen uns, also müssen wir sofort fusionieren“-Gedöns, das sich in sozialen Netzwerken tarnt
wie eine emotionale Virusmutation.
Diese Restdistanz ist das ästhetische Maß aller Dinge.
Sie ist das weiße Papier um ein Kunstwerk,
der leere Stuhl beim Gespräch,
die Pause zwischen zwei Tönen.
Sie macht Beziehung sichtbar, indem sie nicht versucht, sie zu besitzen.
Ohne sie: Besitzergreifung.
Mit ihr: Anerkennung. Augenhöhe.
Zwei Existenzen, die sich respektieren,
weil sie sich nicht einverleiben müssen.
Saisonaler Exkurs
- Halloween: Nähe als Maske – jeder will rein, keiner zeigt sein echtes Gesicht.
- Erntedank: Distanz zum Überfluss – sonst frisst man sich in die Abhängigkeit.
- St. Martin: Teilen ohne Verschmelzen – ein Mantel bleibt Mantel, keine Zwangsjacke.
- Thanksgiving: Familienzwang mit Truthahn – wer Distanz hält, rettet die Verdauung.
- Weihnachten: Der große Umarmungsstartknopf – und doch die stille Kerze, die allein leuchtet, als Maß der Würde.
Ehrlich gesagt:
Wenn Sympathie nicht ein wenig unterkühlt daherkommt,
sondern gleich mit feuchtem Blick und Kuschelwort,
dann wirkt das auf rationale Menschen wie dich
so beruhigend wie ein Clown mit Liebesbriefen.
Also ja – Distanz ist nicht Kälte.
Sie ist Stil. Haltung.
Ein dezentes Nicken über den Raum hinweg,
ohne den Reflex, gleich eine WG zu gründen.
Schlussfigur
Sympathie mit Distanz ist wie ein gutes Gespräch im Nebel:
Man sieht sich nicht ganz,
aber man hört sich klar.
Und niemand drückt ungefragt auf „Umarmung starten“.
Meta: Traktat als Gegenzauber zum saisonalen Umklammerungsfest.
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