Robert Temel

Forschung, Prozessbegleitung, Vermittlung zu Architektur, Städtebau, Baukultur, vor allem Wohnen und öffentlicher Raum; Sprecher der Plattform Baukulturpolitik.

2025-07-19

Das Frankfurt Wohnbauprogramm war kleiner als jenes in Wien: 12k vs. 65k Wohnungen, allerdings in 8 vs. 15 Jahren und mit ca. 500k vs. 2.000k Einwohner*innen. Es war architektonisch und städtebaulich modernistischer, die Siedlungen waren ausschließlich am Stadtrand im Grünen im Vergleich zu Wien, wo es neben den großen Volkswohnungspalästen und Siedlungen auch viele Baulückenfüllungen gab; mit weniger ergänzenden Einrichtungen als in Wien, dafür mit Privatgärten bei jeder Wohnung; und bautechnisch moderner mit Bimsbeton-„Plattenbau“. Frankfurt schaffte es im Vergleich zu Wien nicht, die Arbeiterschicht zu erreichen, die Wohnungen gingen vorrangig an die Mittelklasse, was allerdings wohl weniger mit der Bautechnik als der Finanzierung zu tun hat. In Wien betrug die Miete ca. 5–10% des Arbeiterlohns, in Frankfurt konnten die angestrebten 20% nicht erreicht werden. Im Stadtlabor des Historischen Museums läuft unter dem Titel *Alle Tage Wohnungsfrage. Vom Privatisieren, Sanieren und Protestieren* eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Situation anhand dreier Siedlungen aus den 1890er, 1930er und 1960er Jahre mit Fokus darauf, welche Wirkungen die wechselnden Zeitläufte auf die Mieter*innen hatten – ergänzt durch einen Vergleich mit Tel Aviv. Im Herbst folgt eine Ausstellung, die die Wohnbauprogramme Frankfurts, Wiens und Hamburgs vergleicht.

2025-07-19

Aktuell laufen in Frankfurt mehrere Ausstellungen anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums des Neuen Frankfurt, das sein Wohnbauprogramm einige Jahre nach dem Roten Wien startete, beide endeten 1933/34. Das Museum Angewandte Kunst zeigt *100 Jahre Das Neue Frankfurt* und *Yes, we care. Das Neue Frankfurt und die Frage nach dem Gemeinwohl*. Hier sieht man die konstruktivistischen Axonometrien von Hans und die Fotos von Grete Leistikow, die deutlich machen: Ernst Mays Frankfurter Programm ist Avantgarde, das Wiener Programm platziert sich demgegenüber irgendwo zwischen Otto Wagner und Frankfurt, selbst wenn es natürlich auch hier höchst modernistische Realisierungen gegeben hat. Die Care-Ausstellung umfasst eine Beschäftigung von Gabu Heindls Kasseler Studierenden mit dem Erbe des Neuen Frankfurt, die nicht nur Fragen zum heutigen Frankfurter Wohnungs- und Bodenmarkt stellt, sondern auch zeigt, wie schlecht die privaten Eigentümer*innen der gefeierten Siedlungen der 1920er Jahre diese instandhalten. Wichtigster Unterschied: Wien besitzt nach wie vor alle Gemeindebauten aus dieser Zeit und baute seither noch etwa 150k weitere. In Frankfurt handelte es sich von Anfang an nur teilweise um kommunalen Wohnbau, und heute gehört ein Großteil nicht mehr der Stadt, die Wohnungen wurden privatisiert und sind heute teils in sehr schlechtem Zustand.

2025-07-16

„The system isn’t perfect, but it gets a lot of things right“: Justin Kadi über Licht und Schatten im Wiener Wohnbaumodell. Den großen Vorteilen – großer Sozialwohnungsbestand, geringe Segregation, niedrigere Mieten, hohe Qualität, Stabilität – stehen Nachteile gegenüber – Kaufoption, Zugangsprobleme, Verlust billiger Gründerzeitwohnungen. Unterschied zu anderen Städten: sozialer Wohnbau ist in Wien Priorität, nicht nur für die Stadtregierung und ihre Wähler*innen, sondern auch für Stadtplanung, Bauträger, Banken und Baufirmen: theguardian.com/commentisfree/

2025-07-16

Es geht weiter Richtung European Affordable Housing Plan: Vor dem Sommer lief der Call for Evidence, um Wissen zu sammeln, es gab 313 Rückmeldungen. Seit wenigen Tagen bis 17. Oktober läuft nun die Public Consultation – gesucht sind die effektivsten Maßnahmen, um leistbaren Wohnbau auf europäischer Ebene zu fördern. Der Plan soll Anfang 2026 beschlossen werden: ec.europa.eu/info/law/better-r

2025-07-10

Stay tuned, die Buchpräsentation im Herbst ist geplant, aber hier schon einmal mein Beitrag über *Gemeinschaftliches Wohnen als Teil des Wiener Wohnbaumodells* im eindrucksvollen Sammelband *Soziales Wohnen in Wien. Ein transdisziplinärer Dialog*, hg. von Judith M. Lehner, Bernadette Krejs, Simon Güntner, Michael Obrist, publiziert bei TU Wien Academic Press: repositum.tuwien.at/handle/20.
Das Buch entstand aus einer Ringvorlesung des verdienstvollen Research Center for New Social Housing an der TU und gibt einen tollen Überblick zum Thema.

2025-06-30

@wolf Architektur

2025-06-30

@wolf Im deutschen Pavillon in Venedig ist es gerade Thema.

2025-06-30

Ich wurde vom ORF zum Thema Entsiegelung und Verdichtung befragt, hier ist der Artikel. Es ist klar, dass dieses Thema alle Jahre wieder auftaucht, wenn es heiß ist, und ich helfe gern beim Einordnen. Was ich versucht habe zu sagen und was hier etwas zu kurz gekommen ist (schon klar, der Platz ist beschränkt): Die ökologisch-soziale Transformation, in der wir uns gezwungenermaßen befinden, ist kein einfacher technokratischer, sondern ein höchst komplexer sozialer, kultureller, politischer, ökonomischer Prozess. Natürlich hätte man theoretisch schon vor 10 Jahren klimaangepasster planen können. Man hätte auch vor 50 Jahren beginnen können, radikal aus fossiler Energie auszusteigen. Hat man aber nicht. Es ist müßig, darüber zu streiten, wer was vor 10 Jahren nicht gut genug gemacht hat, während gleichzeitig heute Klimaschutz und die Klimawandelanpassung scheibchenweise zurückgenommen werden. Wir müssen es JETZT tun.

wien.orf.at/stories/3311547/

2025-06-27

Gestern war die Führung der AzW-Architecture-Lounge: Das Areal *Village im Dritten* (Städtebau Superblock & Yewo) am ehem. Aspangbahnhof, die 2. Phase in diesem Gebiet, ist in Bau und teils bereits bezogen. Bis 2027 entstehen auf 22 Baufeldern um den neuen Bert-Brecht-Park ca. 2000 Whg, 40.000m² Gewerbe und eine AHS. Viele der nun fertigwerdenden Projekte wurden in der Zeit sehr hoher Baukosten vergeben (Stichwort: doch nicht so viel Holzbau), die Qualitäten sind trotzdem hoch, die Dichte auch. Eine Neuerung: 500 Erdwärmesonden+PV+Anergienetz (+Fernwärme) für Wärme/Kälte, also ein lokales Wärmenetz, wie es der STEP 2035 als Strategie für neue Gebiete vorgibt. Ähnliches gibt es bisher meines Wissens nur in Aspern/Seebogen und Viertel Zwei, aber etwas kleiner.

2025-06-27

Heute in der Krone: my two cents zum Thema Abbruch vs Bestandserhaltung am Beispiel des Ex-Leiner-, Ex-Lamarr-, nun Mariahilferstraße-10–18-Gebäudes.

2025-06-24

Gestern wurden 12 „Chancen“ der überparteilichen Initiative „Mehr Grips“ präsentiert, die Lösungsansätze für wichtige Zukunftsfragen in Österreich vorschlagen will: Sie versteht die aktuell Staatsfinanzkrise als Potenzial für neue Lösungen, das ist nachvollziehbar. Was bei den Vorschlägen allerdings einigermaßen untergeht, sind Raumfragen, obwohl diese enorme Bedeutung für Nachhaltigkeit, sozialen Zusammenhalt, aber auch für finanzielle Aufwände in der Verwaltung und im Alltag besitzen. Gewisse Bezüge gibt es bei den Punkten *Ökologisierung klimaschädlicher Subventionen*, *Öffentliche Beschaffung offensiv als Instrument nutzen*, *Nationale Initiative zum Bürokratieabbau*, aber das war es. Im Kleingedruckten am Schluss tauchen dann noch ein paar Raumthemen auf. Das ist zu wenig, finde ich. Ein Themenpapier zum Raum ist fällig: mehrgrips.at/

2025-06-20

2017 beschloss die Bundesregierung die „Baukulturellen Leitlinien des Bundes“ – mit der Hoffnung, dass sie als Anstoß für weitere Aktivitäten dienen. Das Bundesland Kärnten hat den Ball aufgenommen und 2019 eigene Leitlinien beschlossen. Zusammen mit Adaptierungen der Verwaltungspraxis (Förderungen, Beratung, Baukulturlehrgänge etc.) haben diese Leitlinien viel bewirkt, eine eindrucksvolle Zahl herausragender, beispielhafter Projektumsetzungen entstand, Baukultur in Kärnten steht heute viel besser da als damals. Nun wird Bilanz gezogen: Ab Ende Juni startet die Evaluierung und Überarbeitung der Leitlinien in einem Beteiligungsprozess. Anmeldung erforderlich: plansinn.wufoo.com/forms/bauku

2025-06-18

Anfang Juni wurde die jährliche Publikation der Statistik Austria zu Wohnungsbestand, -situation, Kosten und Bautätigkeit veröffentlicht: Wohnen 2024. Die landesweite Durchschnitts-Bruttomiete lag 2024 bei 9,80 Euro (neue Verträge 11,80; 30-jährige Vertragsdauer 6,30). Ein Viertel der Haushalte gibt mehr als 26% des Einkommens fürs Wohnen aus, dazu kommt noch etwa ein Viertel für Energiekosten. Interessant: Von 2013 bis 2023 hat sich die Bauweise von Wohnbauten in Ö stark verändert. Der Anteil von Mauerwerk sank von 60 auf 47%, Stahlbeton legte von 27 auf 38% zu, Holz blieb bei ca. 11% stabil. Im mehrgeschoßigen Wohnbau ist der Holzanteil kaum vorhanden (1,1%). In Wien sind mittlerweile 20% aller Mietverträge befristet (bei Neuverträgen ist der Anteil natürlich viel höher). 2024 waren 6% aller Hauptwohnsitzwohnungen (Wien 4,3%) von Sanierungs-/Umbauarbeiten betroffen (nicht nur Energieeffizienz, natürlich).
statistik.at/statistiken/bevoe

2025-06-18

Die EU arbeitet aktuell an einem Affordable Housing Plan, der nächstes Frühjahr publiziert werden soll, im Sommer ist eine Public Consultation dazu geplant – die Bedeutung des Themas sollte klar sein, auf europ. Ebene wurde sie zuletzt durch die Reports von Draghi und Letta verdeutlicht. Jetzt veröffentlichten GBV und VÖWG dazu ein Positionspapier *Strengthening EU Housing Policy. Lessons from Austria’s Limited-Profit Housing Model and Vienna’s Subsidy Conditionality and Zoning*, um die österr. Erfahrungen dafür nutzbar zu machen. Darin sind wichtige Elemente des österr. Modells dargestellt, die in anderen Ländern als Vorbild dienen könnten: gemeinnützige Bauvereinigungen, die preiswerte Wohnungen zeitlich unbegrenzt zu einer Kostenmiete anbieten und den gesamten Prozess von der Projektentwicklung bis zum langfristigen Bestandshalten in einer Hand konzentrieren; Objektförderung; breite Zielgruppe statt nur für die niedrigsten Einkommen, um Segregation zu vermeiden; Bodenpolitik durch Bebauungsplanung. Was fehlt sind wichtige Elemente v.a. des Wiener Modells, die ja für den wichtigsten Einsatzort, Großstädte, besonders bedeutsam sind: Bodenbevorratung durch den Wohnfonds und Qualitätssicherung (nicht nur mit sozialen und ökologischen Zielen, sondern auch baukulturellen):
gbv.at/Extras/AktuelleMeldunge

2025-06-16

Unser Forschungsprojekt NEBKrit über *Qualitätskriterien für Gebäude und Quartiere auf Basis des New European Bauhaus* wird in der aktuellen Ausgabe von energy innovation austria gefeaturet: energy-innovation-austria.at/a

2025-06-14

Zu groß für Mastodon, deshalb hier der Link. Kleiner Überblick zu Baukultur im Wiener Regierungsprogramm, Teil 5/5: Kreislaufwirtschaft, Energie, Mobilität linkedin.com/posts/robert-teme

2025-06-13

Zu groß für Mastodon, deshalb hier der Link. Kleiner Überblick zu Baukultur im Wiener Regierungsprogramm, Teil 4/5: Klimaschutz, Klimawandelanpassung, Biodiversität linkedin.com/posts/robert-teme

2025-06-12

Zu groß für Mastodon, deshalb hier der Link. Kleiner Überblick zu Baukultur im Wiener Regierungsprogramm, Teil 3/5: Wohnen, Stadt der kurzen Wege linkedin.com/posts/robert-teme

2025-06-11

Richard Ronald über den Wohnungsmarkt in den Niederlanden, Miete und Eigentum und das Gefühl, etwas zu verpassen: „Der Professor nennt Länder wie die Schweiz, Österreich und Deutschland. ‚Sie gehören zu den wohlhabendsten Ländern Europas, haben aber die wenigsten Eigenheimbesitzer. Und die höchsten Wohneigentumsquoten gibt es in Albanien, Rumänien und Bulgarien. Wir assoziieren ein Haus mit Wohlstand, doch das Gegenteil ist der Fall. Ein Immobilienmarkt, der auf Wohneigentum ausgerichtet ist, ist nicht unbedingt gut für die Bewohner dieser Gesellschaft.ʻ “
metronieuws.nl/geld-carriere/w

2025-06-11

Zu groß für Mastodon, deshalb hier der Link. Kleiner Überblick zu Baukultur im Wiener Regierungsprogramm, Teil 2/5: Stadtentwicklung, öffentlicher Raum linkedin.com/posts/robert-teme

Client Info

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Version: 2025.04
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