WHAT'S ANTIFA?
... Die Skepsis gegenüber diesem Staat war einer der Gründe für die Neugründung der Antifa. Aber die Geschichte wiederholte sich nicht einfach. Ging die Antifaschistische Aktion 1932 aus Organen der arbeitenden Klasse hervor, fehlte der BRD-Antifa eine klare Klassenbasis. Sie artikulierte zwar fast immer antikapitalistische Losungen, selten aber dezidierte Programme, geschweige denn sozialistische. Neben das Problem der Klandestinität infolge der Repressionsgefahr trat eine generelle Geringschätzung der Massenarbeit, wohl weil gar nicht so klar ist, was man – abgesehen von der Beteiligung an einer »Aktion« – von den Leuten wollte. Die Vision eines politischen Massenstreiks unter Einbeziehung breiter Volksmassen zur Überwindung des Kapitalismus stand jedenfalls nicht mehr auf der Tagesordnung.
Das führte fast notwendig zu einer gewissen Orientierungsarmut, bei der sich die eigene Haltung zunehmend danach bestimmt, was im engeren Umfeld als »faschistisch« angesehen wird. Wenn der Irak »faschistisch« ist, heißt es, in der Tradition der Anti-Hitler-Koalition den völkerrechtswidrigen Krieg der USA zu unterstützen. Wenn Russland »faschistisch« ist, wird die Militarisierung der Bundesrepublik zur »antifaschistischen« Losung. Und wenn der Protest gegen den israelischen Krieg in Gaza »faschistisch« ist, dann wird die Verteidigung der Staatsräson zum »antifaschistischen« Kampf von Junger Union und Ökolinx.
So stehen Antifa-Gruppen bei gesellschaftlichen Auseinandersetzungen meist auf beiden Seiten: Für und gegen strikte staatliche Corona-Maßnahmen, für und gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, für und gegen die deutsche Beteiligung am Völkermord in Gaza. Eine Taxonomie der Gruppen ist auch deswegen schwierig, weil sie sich weniger an politischen Leitlinien orientieren als an Sprachregelungen, die sich in relativ kleinen Cliquen und Freundeskreisen aus dem jeweiligen Weltverständnis der beteiligten Personen – und das heißt mehr oder minder zufällig – ergeben haben. Es gibt fast keine Position, von der man von vornherein ausschließen könnte, dass sie von einer Antifa-Gruppe eingenommen wird.
[...] Antifaschismus diene der Linken nur als Vorwand für ihre »staatsfeindlichen Zielsetzungen«, hieß es nach der »Wende« in der konservativen Presse. Es sei der verbindende Begriff, wo es eigentlich um die Überwindung des Kapitalismus gehe. Zumindest der repressive Staatsapparat scheint noch an diese Zielsetzung zu glauben. Es steht zu befürchten, dass das zu viel der Ehre ist.
https://jacobin.de/artikel/antifa-verbot-repression-usa-niederlande-deutschland
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