Aus dem Korruptionsnewsletter von Correctiv:
Der Fall Jonathan Taylor
Der Schmiergeldskandal des brasilianischen Ölkonzern Petrobras ist einer der größten in der Geschichte der Korruption. Er dürfte einer der Gründe sein, aus denen das Land anschließend den Rechtspopulisten Jair
#Bolsonaro ins Amt wählte, unter dem es während der aktuellen Corona-Krise so zu leiden hat.
In Europa erhielt der Skandal nach meinem Eindruck nur Aufmerksamkeit von jenen Alt-Linken, die ihre politischen Idole Lula und seine Nachfolgerin im Präsidentenamt, Dilma Rousseff, angesichts der Verstrickungen ihrer Arbeiterpartei in den Skandal in Schutz nahmen. Doch Europa war auf zweierlei Weise in den Skandal involviert: Schweizer Banken wuschen das Schmiergeld. Und die niederländische Ölfirma
#SBMOffshore – das Unternehmen stellt Plattformen zum Abbau von Öl auf dem Meer bereit – zahlte über 100 Millionen US-Dollar Schmiergeld, um von
#Petrobras Aufträge zu erhalten.
Um Ermittlungen gegen sich beizulegen, einigte sich der Konzern u.a. mit Behörden in den USA und den Niederlanden auf Strafzahlungen in Höhe von etwa 450 Millionen US-Dollar. Zwei seiner ehemaligen Vorstandschefs wurden verurteilt.
Dass die Rolle von SBM Offshore in dem Petrobras-Skandal überhaupt ans Licht kam, ist im Wesentlichen dem britischen Rechtsanwalt Jonathan Taylor zu verdanken. Er arbeitete als Jurist in dem Konzern. In dieser Rolle arbeitete er die Schmiergeldzahlungen auf und deckte später auch auf, wie andere im Konzern versuchten, das Ausmaß der Affäre zu vertuschen. In der vergangenen Woche wurde Taylor verhaftet, als er mit seiner Familie am Flughafen Dubrovnik für einen Urlaub in Kroatien eintraf. Der Skandal ist also für alle anderen Beteiligten erledigt – nur nicht für den Whistleblower.
Was ist passiert? SBM Offshore hatte vor dem Skandal seinen Firmensitz in Monaco. Der Konzern zeigte Taylor dort auf dem Höhepunkt der Affäre im Herbst 2014 wegen angeblicher Erpressung an. Taylor weist diesen Vorwurf zurück. Ich kenne die Details (die hier zu weit führen würden) und halte den Vorwurf für unangemessen.
Die Staatsanwaltschaft in Monaco legte jedoch einen Vorgang an. Als sie nach fünf Jahren (mehr Zeit hat sie in Monaco nicht) den Fall immer noch nicht vor Gericht gebracht hatte, bemühte sich Taylor um eine Bestätigung der Einstellung des Verfahrens. Sein Anwalt, mit dem ich in dieser Woche sprach, vermutet, dass dies ein Anlass für die Ermittler war, den Fall plötzlich wieder hervorzuholen.
Im März schrieben sie Taylor über Interpol zur Fahndung aus. Statt des geplanten Urlaubs hat Taylor einige Tage in einer Zelle für Kleinkriminelle verbracht. Am Montag ließ ihn ein kroatisches Gericht auf Kaution frei. Die Behörden in Monaco müssen jetzt einen Auslieferungsantrag stellen. Taylor sitzt währenddessen in Kroatien fest. Sein Anwalt fordert, dass die Behörden in Monaco das Verfahren einstellen oder dass SBM Offshore seine Vorwürfe gegen Taylor zurückzieht und das Verfahren sich auf diesem Wege erledigt.
Der Fall SBM Offshore und Jonathan Taylor ist in der Riege der Whistleblower vergleichsweise wenig bekannt. Doch zu einer Zeit, in der die Bundesregierung an der Umsetzung der neuen EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern arbeitet, sollte man den Fall im Auge behalten. Er zeigt in all seinen Facetten, wie vielfältig die Gefahren für Whistleblower sind und wie umfassend dementsprechend ihr Schutz ausfallen muss.
Sonst sind Whistleblower weiterhin die letzten, für die ein Skandal ausgestanden ist.
Frederik Richter
Managing Editor
#CORRECTIV