Wenn der Kulturstaatsminister AfD-Rhetorik übernimmt.
Heute, am Tag der Deutschen Einheit, müssen wir über ein verstörendes Phänomen sprechen: Kulturstaatsminister Wolfram Weimer verwendet in einem Interview den Begriff „Zwangsbeiträge“ für den Rundfunkbeitrag.
Ausgerechnet einen Tag vor dem 3. Oktober, dem Symbol unserer wiedergewonnenen demokratischen Freiheit.
„Zwangsgebühren“ und „Zwangsbeiträge“ – das ist klassische AfD-Rhetorik.
Eine kurze Recherche zeigt: Der Begriff „GEZ-Zwangsgebühren“ ist seit Jahren fester Bestandteil der AfD-Kampagnen. Die Partei fordert die Abschaffung der „GEZ-Zwangsgebühren“, spricht von „Staatspropaganda“ und „öffentlich-unrechtlicher Gehirnwäsche“. Auf ihren Websites und in Pressemitteilungen nutzt die AfD systematisch diesen Frame, um die Legitimität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu untergraben.
Sprache ist nicht neutral. Sie ist das Werkzeug.
Wenn ein Bundesminister – noch dazu der für Kultur und Medien zuständige – diese Begrifflichkeit übernimmt, ist das kein sprachlicher Ausrutscher. Es ist die Übernahme eines gezielten Framings, das den demokratischen Konsens über die Funktion öffentlich-rechtlicher Medien in Frage stellt.
Zur Einordnung:
Der Rundfunkbeitrag ist eine gesetzlich geregelte Abgabe zur Finanzierung eines verfassungsrechtlich verankerten Auftrags. Nach dieser Logik wären alle Steuern und Sozialabgaben „Zwangsgebühren“ – die Grundsteuer, die Krankenversicherung, die Rentenbeiträge. Niemand kommt auf die Idee, diese als „Zwang“ zu delegitimieren, weil wir verstehen: Sie dienen dem Gemeinwohl und der funktionierenden Demokratie.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist Teil unserer demokratischen Infrastruktur – als unabhängige Informationsquelle, die nicht von Werbekunden, Klickzahlen oder politischen Interessen gesteuert wird. Das ist kein Luxus, sondern eine Errungenschaft.
Weimer warnt in demselben Interview vor dem „Kulturkampf der AfD“ und fordert, nationale Symbole nicht der Rechten zu überlassen. Aber genau das tut er, wenn er deren Sprachbilder übernimmt. Man kann nicht vor der Vergiftung der Debatte warnen und gleichzeitig das Gift selbst verwenden.
Die bürgerliche Mitte, von der Weimer mehr Selbstbewusstsein fordert, sollte sich tatsächlich äußern – allerdings gegen solche Grenzüberschreitungen in den eigenen Reihen. Wer die Debattenkultur beklagt, muss bei sich selbst anfangen.
Am Tag der Deutschen Einheit hätte es Anlass gegeben, über die Bedeutung freier, unabhängiger Medien für unsere Demokratie zu sprechen. Stattdessen bekommen wir AfD-Rhetorik aus dem Kanzleramt. Das ist nicht nur ein sprachlicher Tabubruch – es ist ein politischer Offenbarungseid.
Was ist Eure Meinung: Wo verläuft die Grenze zwischen legitimer Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Übernahme demokratiegefährdender Narrative?