Musiktheater Linz: „[D’Homme] je reconnais l’ouvrage!“ – „Guillaume Tell“ als Legende des Übermenschen in einer virtuellen Realität
Elena Deinhammer
[caption id="attachment_30548" align="alignleft" width="300"] Musiktheater Linz/Guillaume Tell/Adam Kim/Foto © Herwig Prammer[/caption]
Mit „Guillaume Tell“, dem einzigen für die Opéra Nationale de Paris neu komponierten Werk, beendete Gioachino Rossini seine Tätigkeit als Opernkomponist. Das dafür gewählte Thema der Legende um Wilhelm Tell, der den Befreiungskampf der Schweizer aus der Unterdrückung durch die Habsburger anführte, erscheint angesichts der damaligen brisanten Umbruchszeit in Frankreich als erstaunlich politisches. So, wie sich dies allerdings in die Wahrnehmung von mehreren Opern Rossinis als Werke mit politischer Signifikanz in dafür erstaunlichen Kontexten fügt, bildet auch die am Musiktheater Linz gezeigte Inszenierung eine sich zwar nicht zur Gänze erschließende, aber dennoch gelungene, politisch, anthropologisch wie moralisch spannende Ausgestaltung des Legendenstoffes, von dem selbst nur mehr symbolische Reste bewahrt wurden. Philosophisch fundiert wird die Geschichte einer Gesellschaft erzählt, die in ihrem Naturzustand, in den Grundlagen des menschlichen Wesens und Zusammenlebens durch eine künstlich-digitale Welt bedroht ist und einer neuen „Menschheit“ im Sinne des Transhumanismus zustrebt. Mit eindrucksvollen Bildern, besonders aber durch packenden Orchesterklang und gesangliche Höchstleistungen entsteht ein Abend, der für hohen Operngenuss ebenso sorgt wie für kritische Gedanken zu einem gegenwärtig beunruhigend relevanten Thema. (Rezension der Premiere am 17. Mai 2025) […]