@chrisstoecker
Der $Internetuser surft so durchs Netz. Sieht dies, klickt das... Und dann wird ein interessanter Artikel gepostet... vom Schasklappersdorfer Tagblatt... wäre interessant: Paywall. Geht nix. Da Schasklappersdorf am anderen Ende der Welt liegt, sind die sonstigen Artikel dort ungefähr so relevant wie der berühmte Reissack in China, der umgefallen ist.
Und dann der Artikel von Regionalblatt St. Wiesen am Wald und Umgebung... wäre ein interessanter Artikel... Paywall. Da St. Wiesen am Wald uns seine Region so weit weg ist, dass dort in der Regel nix passiert, was für $Internetuser irgendwie interessant sein könnte... zahlt sich ein Abo einfach nicht aus.
Oh... ein spannender Beitrag, vom Gigritzpatschener Rundschauer... fuck. Nur mit Abo. Gigritzpatschen ist so weit weg, dass dort sonst nix passiert, was irgendwie interessant sein könnte... Ein Abo rentiert sich einfach nicht.
Ja, jetzt kommt die Werbung ins Spiel.
Ich hab prinzipiell nix gegen Werbung... aber muss dazu mein Nutzerverhalten, meine sexuelle Vorliebe, meine Hobbies, mein Kontostand, meine Adresse, die Adresse der Großeltern meiner Frau, meine Beziehungen und Freundschaften, ihr aktueller Status, die Anzahl und Farbe der Striche in meiner Unterhose und das Ergebnis der letzten Darmspiegelung mit 678 Partnern, die alle ganz ganz sicher an meinem Datenschutz interessiert sind, geteilt werden? Wo am Ende alles in ein großes Schattenprofil meiner Persönlichkeit zusammenfließt, das mit dem US-Geheimdienst geteilt wird, das von Datenbrokern mitsamt meiner Bewegungsdaten an jeden der ein paar Münzen einwirft, verhökert wird...
Stell dir vor, du arbeitest in einem sehr sensiblen Bereich... dein Job wäre dazu geeignet, dass du Informationen abzweigen oder Services blockieren könntest, wenn jemand das von dir verlangt, und du große Bereiche eines Landes lahmlegen könntest... z.B. die Steuerzentrale bei einem großen Energieversorger und die Datenverarbeitung eines heiklen Ministeriums... und du hast Kinder...
Nachdem Bewegungsdaten und sonstiges sogar billig an jeden verramscht werden (Die Reportage von Volksverpetzer mit dem BR hab ich noch gut vor Augen), müssen eventuelle Erpresser nur mehr darauf warten, dass dein Kind wieder, so wie jeden Dienstag um 10 vor 5 zum Sport geht... und schon ist es gepflückt, und du erpressbar...
Oder du lässt jedes scheiß Javascript zu, das vom Werbenetzwerk ausgespielt wird... und schon ist der Trojaner auf deinem Rechner... ohne dass du und 500 Millionen anderer unschuldiger Internetbenutzer es merken...
Und da wären wir dann bei Adblockern, Noscript & Co...
Und nein, es geht nicht darum, dass mir Journalismus nix wert wäre... ich hab 1, 2 Abos, so wie zu Print-Zeiten auch. Den Rest hab ich früher im Kaffeehaus sitzend vom Abo des Kaffeehauses profitierend dort gelesen und zwei, drei gute Kaffee dazu getrunken...
Kaffeehäuser haben mittlerweile geschlossen, Die Welt ist durchs Internet kleiner geworden... nur die Zeitungsverlage denken immer noch, dass ALLE User die genau 3x im Jahr genau 1 Artikel eventuell überfliegen wollen, sich ein Jahresabo kaufen werden...
Dann kommt dazu, dass die Anzeigenabteilungen eingespart wurden... kostet ja... da Menschen hinzusetzen die Anzeigenplätze verhökern... ist ja viel praktischer, wenn man die Seele der Leser:innen verkauft und hinten tröpfeln ein paar Cent raus. Denn der größte Teil des Werbekuchens (in Österreich sind das, was ich mal gelesen habe, so 2-3 Milliarden Euro im Jahr) landet bei Google & Co. Die Summen die Unternehmen in Werbung stecken sind über die letzten Jahre ungefähr gleich geblieben... es hat sich nur verschoben, wo der Großteil des Geldes landet... kein Wunder, wenn Zeitungen Online ihre Seele und die ihrer Leserschaft an Google verhökert, dass das große Geld bei Google landet... und die Verlage auf allen Fronten verlieren...
Übrigens las ich mal, dass Microtargeting gar nicht so toll funktioniert, wie Google & Co das immer in den Raum stellen. Werbetreibende erreichen mit Context-sensitiver Werbung ungefähr ähnliche Werbewirkung, nur müssen sie dazu keine Seelen verkaufen...
Und mit ein wenig KI dazu könnten wohl auch solche Fauxpasses vermieden werden, dass bei einem Artikel wo berichtet wurde, dass sich jemand selbst den Fuß beim Gelenk abgesägt und verbrannt hat, damit er nicht arbeiten gehen muss, dann eine Werbung für eine Creme gegen Gelenksschmerzen bei Entzündung und eine Werbung für eine neue Heizanlage landet... (Ja... selbst gesehen... :D )
Du siehst... sich über Paywalls aufregen ist bei weitem nicht Feindschaft gegen Journalismus sondern ein Aufbegehren über ein vollkommen veraltetes Finanzierungsmodell von Zeitungsverlagen und total außer Rand und Band gelaufene Totalüberwachung... Hier zwickt der Schuh, hier brennt die Seele...