Diffamierungs-Kampagnen: Die Methode „Nius“
Belltower.News
Unter dem Titel „Der NGO-Komplex“ veröffentlicht Nius eine eigene Dokumentation mit vermeintlichen Kronzeug*innen. (Quelle: Screenshot und Canva)Seit einiger Zeit ist das rechtspopulistische Portal Nius ganz vorne mit dabei, den Hass auf demokratische Akteure zu verbreiten. Galten lange die Grünen als Hauptgegner, gegen die sich die Artikel, Interviews und Videos richteten, liegt der Fokus mittlerweile auf der demokratischen Zivilgesellschaft.
Nach Vorwürfen des Machtmissbrauchs gegen den früheren „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt, einem internen Compliance-Verfahren und einem kritischen Artikel in der New York Times beendete der Axel Springer Verlag 2021 die Zusammenarbeit mit einem seiner bekanntesten Mitarbeiter. Reichelt jedoch hat sich nicht aus der Öffentlichkeit zurückgezogen – im Gegenteil: Er baut ein Mediengeflecht auf, in dessen Zentrum die Plattform Nius steht.
Wie sich Nius finanziert, können Sie hier nachlesen:
Mit allen Mitteln für den rechtspopulistischen Kulturkampf
Im Mittelpunkt steht dabei ein kultureller Gegenentwurf zu liberalen und demokratischen Strömungen. Reichelt inszeniert einen Kulturkampf gegen gesellschaftliche Veränderungen und setzt dabei auf ein junges Team, das gezielt auf Social-Media-Plattformen die öffentliche Debatte ins Rechtsautoritäre verschiebt. Durch die gute Vernetzung von Reichelt und seinem Team und der mutmaßlich ideologischen Überschneidung, treten auch demokratische Akteure in diesen Formaten auf, wie etwa der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, der damalige Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubiki (FDP), der Historiker Hubertus Knabe, die Kabarettistin Monika Gruber und der Journalist Deniz Yücel.
Wenn solche Journalist*innen, Politiker*innen oder Kommentator*innen sich für die Plattform hergeben, normalisieren sie die Themen und die Arbeitsweise der Verantwortlichen. Politisch prominente Gäste sollten sich bewusst sein: Ihre Teilnahme trägt dazu bei, diese Inhalte zu normalisieren und ihnen größere gesellschaftliche Akzeptanz zu verschaffen. Dabei scheinen journalistische Standards hier regelmäßig missachtet zu werden. Selbst vor angedeuteten und haltlosen Pädophilie-Vorwürfe gegen Privatpersonen scheuen die Akteure nicht zurück – mit Journalismus hat diese Arbeit wenig zu tun.
Mit jeder weiteren Veröffentlichung auf den verschiedenen Kanälen des Reichelt-Imperiums soll das Vertrauen in demokratische Akteure untergraben werden. Dabei gehen die Nius-Macher*innen nach einem Muster vor, das wir aus den USA kennen: die Erzählung eines „Deep State“. Mächtige, oft jüdisch konnotierte Eliten führen im Hintergrund eine Art Schattenregierung.
NGOs im Visier
Derzeit wird das Buch „Der NGO-Komplex“ groß bei Nius beworben. Inhaltlich geht es hier um vermeintliche Steuergeldverschwendung, um einen unbelegten Generalverdacht gegen demokratische Initiativen wie die Amadeu Antonio Stiftung. Autor des Buchs ist Björn Harms „Chef vom Dienst“ bei Nius.
Selbst eine Doku wurde in den letzten Tagen dazu veröffentlicht. Der Titel: „Der NGO-Komplex: Sie nehmen dein Geld. Sie wollen deinen Willen brechen.“ Vermeintliche Kronzeug*innen, die hier zu Wort kommen: Björn Harms, Julian Reichelt und die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder (CDU). Auch Ulrich Vosgeraus kann sich hier äußern. Der Jurist nahm am geheimen Treffen in Potsdam teil, bei dem Deportationspläne im Beisein von AfD-Akteuren und neurechten Vordenkern besprochen wurden. Vosgerau verunglimpft die Correctiv-Redaktion, die das Treffen erst öffentlich gemacht hat. Vosgeraus zweifelt die journalistische Arbeitsweise der Redaktion an, so soll Unsicherheit gesät werden. Auch der ehemalige Vice-Journalist Jan Karon kommt zu Wort. Er raunt von einer Zivilgesellschaft, deren Grenzen zur „militanten Antifa“ fließend seien. Mittlerweile betreibt er Hetzkampagnen gegen Journalist*innen. Dabei beobachtete er vor einigen Jahren noch selbst neonazistische Veranstaltungen, um sie einigermaßen kritisch einzuordnen. Auch Belltower.News hat in der Vergangenheit auf seine Recherchen zurückgegriffen.
Was steckt dahinter: letztendlich soll das Geraune von Nius die Anhänger*innen davon überzeugen, dass grüne Politiker*innen und demokratische Akteure, die die demokratische Zivilgesellschaft unterstützen, Deutschland in den Abgrund reißen würden. Das ist gefährliche Meinungsmache, gelegentlich an der Grenze der Verleumdung.
Der demokratische Widerstand soll gebrochen werden
Es ist nur folgerichtig, dass zum Ziel eines autoritären ethnopluralistischen Staatsumbaus die demokratische Zivilgesellschaft wegmuss. Denn sie ist es, die die Demokratie mit Leben füllt, demokratiefeindlichen Bestrebungen vor Ort etwas entgegensetzen kann und schnell solidarische Hilfe bei rechtsextremen und rassistischen Angriffen organisiert. Diese realen Hüter der Demokratie sollen eingeschüchtert werden, um ihre Demokratiearbeit aufzugeben. Denn erst dann, gelingt der rechtsextreme Durchmarsch „durch die Organisationen“, wie ihn etwa die AfD anstrebt.
Dass solche Kampagnen, wie sie derzeit mit voller Wucht von Nius gefahren werden, gegen demokratische Akteure greifen, zeigt etwa der parlamentarische Fragenkatalog der Union, am Ende der vergangenen Legislaturperiode: Mit ihrer Kleinen Anfrage „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ sollte mit Hilfe der Union der Eindruck erweckt werden, es gäbe ein politisches Netzwerk aus NGOs, das „gegen rechts“ mobilisiere und damit die eigene Gemeinnützigkeit gefährde. Die Strategie dahinter folgt einer altbekannten Blaupause: Es sind „Deep State“-Narrative, wie sie von Trump, Musk und anderen Verschwörungsideolog*innen benutzt werden. Mittlerweile sind solche Erzählungen offenbar auch anschlussfähig in breiten Teilen der Gesellschaft.
Die ersten öffentlichen Behauptungen über ein angebliches Netzwerk aus Medien, Stiftungen und NGOs, das systematisch „gegen rechts“ agiere, wurden vom Axel Springer Verlag veröffentlicht. Nius, Bild sowie AfD-nahe und rechtsextreme Netzwerke wie der Verein Ein Prozent nutzt diese Erzählung bereits seit Längerem, um gegen zivilgesellschaftliche Demokratieprojekte Stimmung zu machen. Inzwischen ist dieser verschwörungsideologische Deutungsrahmen auch in der parlamentarischen Arbeit angekommen – die CDU/CSU hat ihn bis jetzt zum Glück nur einmal in einer offiziellen Anfrage im Bundestag aufgegriffen.
Nius ist mittlerweile einer der zentralsten Stichwortgeber im rechtsextremen Kulturkampf, der schon seit einiger Zeit in Deutschland wütet. Welche Auswirkungen dieser erfolgreich geführte und ressourcenstarke rechtsextreme Kulturkampf hat, sehen wir derzeit in den USA. Hier geht die Trump-Regierung brutal gegen Migrant*innen vor, behindert freie Wissenschaft und Forschung, schränkt die Rechte von Frauen und queeren Menschen ein und missachtet die Judikative. Die Demokratie wird immer weiter abgebaut.
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