âWer hat, dem wird gegebenâ â Jesus, Oxfam und die wachsende Ungleichheit
âDenn wer hat, dem wird gegeben; und wer nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.â (Markus 4,25) â Diese Worte Jesu erscheinen auf den ersten Blick hart und ungerecht. Doch wenn wir sie in den Kontext unserer Zeit setzen, zeigt sich ihre brennende AktualitĂ€t. Der neue Oxfam-Bericht zum Weltwirtschaftsforum in Davos offenbart eine erschreckende Wahrheit: Die Schere zwischen Arm und Reich wĂ€chst unaufhaltsam, die Superreichen werden tĂ€glich reicher, wĂ€hrend die Ărmsten der Welt kaum Fortschritte sehen.
Ein unaufhaltsamer Kreislauf des Reichtums?
Die Oxfam-Studie zeigt, dass das Gesamtvermögen der knapp 2.800 MilliardĂ€re im vergangenen Jahr von 13 auf 15 Billionen US-Dollar gestiegen ist â dreimal so schnell wie 2023. TĂ€glich wĂ€chst das Vermögen der MilliardĂ€re um Millionen, wĂ€hrend weltweit Millionen Menschen weiterhin unter der Armutsgrenze leben. Diese Entwicklung erinnert fatal an Jesu Worte: Wer hat, dem wird gegeben. Kapital generiert Kapital, Macht zieht weitere Macht an, und Reichtum scheint sich von selbst zu vermehren â ein Kreislauf, der kaum zu durchbrechen ist.
Doch Jesus sprach diese Worte nicht als Lob der Reichen, sondern als Warnung. Seine Botschaft war stets geprĂ€gt von der Option fĂŒr die Armen. Die Ironie dieser Aussage offenbart eine bittere RealitĂ€t: Wenn Strukturen der Ungerechtigkeit nicht aufgebrochen werden, wird der Wohlstand der Reichen weiter wachsen, wĂ€hrend den Armen selbst das Wenige genommen wird, das sie besitzen.
Die biblische Perspektive auf Gerechtigkeit
Die Bibel kennt ein anderes Wirtschaftsmodell als das der sich selbst verstĂ€rkenden Ungleichheit. Das alttestamentliche Jubeljahr (3. Mose 25) sah eine Umverteilung von Landbesitz vor, um die wirtschaftliche Ungleichheit nicht ins Unermessliche wachsen zu lassen. Jesus selbst rief in der Synagoge von Nazareth das âGnadenjahr des Herrnâ aus (Lukas 4,19), eine Anspielung auf dieses soziale Korrektiv.
Die Kirche der ersten Jahrhunderte verstand dies als Auftrag zu radikaler SolidaritĂ€t: âEs war auch keiner unter ihnen armâ (Apostelgeschichte 4,34). Die frĂŒhe christliche Gemeinschaft lebte ein Modell der gegenseitigen UnterstĂŒtzung â eine Praxis, die in krassem Gegensatz zu den heutigen Entwicklungen steht.
Reichtum und Verantwortung â eine theologische Herausforderung
Die rasante Zunahme des Reichtums weniger Einzelner ist nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein moralisches und theologisches Problem. Denn Reichtum ist in der Bibel nie Selbstzweck. Immer wieder wird betont, dass Besitz Verantwortung mit sich bringt: âIhr sollt nicht SchĂ€tze sammeln auf Erden, wo Motten und Rost sie fressenâ (MatthĂ€us 6,19).
Die zunehmende Macht der Superreichen beeinflusst nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Demokratie. Oxfam warnt, dass wirtschaftliche Dominanz in politische Kontrolle ĂŒbergeht â ein PhĂ€nomen, das biblisch als Gefahr fĂŒr Gerechtigkeit und Freiheit erkannt wurde. Die Propheten Israels kritisierten scharf jene, die durch wirtschaftliche Ungleichheit das Recht beugten (Amos 5,11-12).
Eine christliche Antwort auf die Kluft zwischen Arm und Reich
Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage: Wie kann eine christliche Antwort aussehen?
- Prophetische Kritik: Die Kirche hat die Aufgabe, Ungleichheit beim Namen zu nennen und fĂŒr eine gerechtere Wirtschaftsordnung einzutreten. Das Schweigen der Kirchen zu diesen Fragen wĂ€re ein Verrat an Jesu Botschaft.
- Solidarische Praxis: Gemeinschaften können alternative Wirtschaftsformen fördern â sei es durch fairen Handel, gemeinschaftliches Wirtschaften oder UnterstĂŒtzung fĂŒr benachteiligte Gruppen.
- Politisches Engagement: Christen können sich fĂŒr eine Steuerpolitik einsetzen, die ĂŒbermĂ€Ăigen Reichtum reguliert und soziale Ungleichheit verringert â in Erinnerung an das biblische Prinzip der Gerechtigkeit.
Jesu Worte âWer hat, dem wird gegebenâ sind keine wirtschaftliche Erfolgsgarantie fĂŒr die Reichen, sondern eine ernĂŒchternde Feststellung ĂŒber die RealitĂ€t ungerechter Strukturen. Doch das Evangelium fordert uns auf, diesen Kreislauf zu durchbrechen â fĂŒr eine Welt, in der nicht nur Reiche reicher, sondern Arme endlich gesehen werden.
#Armut #biblischePerspektive #christlicheEthik #Gerechtigkeit #Obdachlose #Obdachlosigkeit #OxfamStudie #reichtum #Reichtumsverteilung #sozialeUngleichheit #Vermögenskonzentration #Wirtschaftsgerechtigkeit #yellowCasa