Todesopfer rechter Gewalt: Heinz Mädel – Erschlagen und vergessen
Die Gruppe Dissens Erfurt hat 2022 am Todestag von Heinz Mädel die Futterstraße, in der Nähe des Tatortes, in die “Heinz-Mädel-Straße” umbenannt.
(Quelle: Dissens Erfurt)
Der 58-jährige Maurer Heinz Mädel wurde am späten Abend des 25. Juni 1990 in der Erfurter Innenstadt Opfer eines brutalen Angriffs. Zwei 17-jährige junge Frauen griffen ihn unvermittelt an, schlugen ihn zu Boden und traten mehrfach auf seinen Kopf und Oberkörper ein. Sechs Tage später, am 1. Juli 1990, starb Heinz Mädel im Krankenhaus an den Folgen seiner Verletzungen.
Wir wissen kaum etwas über sein Leben
Über das Leben von Heinz Mädel ist nur wenig bekannt. Laut Zeitungsberichten war er ledig, arbeitslos und lebte zurückgezogen in der Erfurter Altstadt. Im „Stern“ beschrieben Journalisten ihn als scheuen Einzelgänger – und verwendeten dabei abwertende Begriffe. Wer Heinz Mädel wirklich war, was ihn bewegte, wer ihn vermisste: All das bleibt im Dunkeln. Umso wichtiger wäre es, ihn nicht nur als Opfer rechter Gewalt, sondern auch als Menschen sichtbar zu machen.
Der Angriff
In der Nacht traf Heinz Mädel auf seinem abendlichen Spaziergang auf zwei junge Frauen, Carina Sch. und Corinna K.. Die beiden beobachteten ihn aus einer Gruppe heraus, zu der auch rechtsextreme Skinheads gehörten. Corinna K. stieß Mädel von hinten, riss ihm die Mütze vom Kopf und zog ihn an den Haaren. Als er sich an ihr festhielt, warf ihn Carina Sch. mit den Worten „Lass meine Freundin in Ruhe!“ zu Boden. Dann traten beide auf den am Boden liegenden Mann ein – insgesamt dreizehn Mal.
Die Angreiferinnen ließen ihr Opfer auf dem Boden liegen und gingen weg. Mädel schaffte es noch, sich aufzurichten, taumelte jedoch gegen ein geparktes Auto. Ein junger Mann aus der Skinhead-Gruppe wollte ihm helfen. Als die Täterinnen kurz darauf zurückkamen – eine von ihnen hatte ihre Tasche vergessen – beschimpften sie den Helfenden: „Seit wann bist du gegen uns? Seit wann hilfst du Schwulen?“
Die Folgen
Heinz Mädel erlitt schwerste innere Verletzungen: Neun gebrochene Rippen, Blutergüsse in beiden Lungenflügeln, eine punktierte Lunge. Im Krankenhaus entwickelte sich eine tödliche Lungenentzündung. Am 1. Juli 1990 starb er um 14:10 Uhr. Kurz nach dem Angriff hatte er gegenüber der Polizei ausgesagt, er habe sich nicht gewehrt, um die Skinheads in der Gruppe nicht weiter zu provozieren. Es ist die einzige bekannte Aussage von Heinz Mädel.
Das Urteil
Die Täterinnen wurden ein Jahr später wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt – das Urteil: Bewährungsstrafen von 1 Jahr und 10 Monaten (Corinna K.) und 1 Jahr und 6 Monaten (Carina Sch.). Das Gericht folgte weitgehend den Angaben der Angeklagten und deutete die Tat als „persönlichkeitsfremde Exzesshandlung“ – unter Alkohol und Einfluss sozialer Umstände. Eine schwulenfeindliche Motivation wurde nicht anerkannt. Auch die Rolle der umstehenden Gruppe wurde nicht weiterverfolgt.
Nach dem Tod Heinz Mädels berichtete die Lokalpresse nur kurz über den Fall. Die überregionale Presse griff ihn kaum auf. Der Prozess selbst wurde medial praktisch nicht begleitet. In der Erinnerung wurde der Fokus zunehmend von dem Opfer auf die Täterinnen verschoben. Heute erinnert kaum etwas an Heinz Mädel.
Dabei verdient er es, erinnert zu werden – als Mensch, nicht nur als Opfer.
Heinz Mädel gilt als Todesopfer rechter Gewalt – getötet aus einer Mischung aus schwulenfeindlicher und sozialdarwinistischer Motivation. Da die Tat vor dem 3. Oktober 1990 – dem Tag der Deutschen Einheit – geschah, wird er jedoch von der Bundesregierung nicht in der offiziellen Statistik geführt.
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