Globaler Süden: US-Regierung drängt Staaten zur Zulassung von Starlink
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Globaler Süden: US-Regierung drängt Staaten zur Zulassung von Starlink
Hand in Hand versucht die US-Regierung und der Satellitenanbieter Starlink, das Unternehmen des Regierungsberaters Elon Musk im Globalen Süden weitflächig auf den Markt zu bringen. Dabei scheint der Rechtsaußen-Regierung jedes Mittel recht zu sein.
21.05.2025 um 13:58 Uhr
– Tomas Rudl – in Netze – 2 Ergänzungen Multimilliardär, US-Regierungsberater und rücksichtsloser Rechtsradikaler: Elon Musk baut seine Macht mit allen Mitteln aus. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / SOPA Images
Gambia steht vor der Wahl: Entweder das kleine Land an der westafrikanischen Küste lässt Elon Musks Satellitenunternehmen Starlink ins Land oder es gibt Probleme mit der US-Regierung.
Offenbar mit einer Stimme drohen derzeit US-Außenminister Marco Rubio, US-Botschafterin Sharon Cromer und das Unternehmen des Milliardärs einem der ärmsten Länder der Welt, wie ProPublica berichtet: Erhält Starlink keine Lizenz, um in Gambia als Internetanbieter zu operieren, könnten die USA beispielsweise ein Hilfsprojekt für die Verbesserung der Stromversorgung im Land einfrieren. Oder sie schließen die US-Botschaft.
„Maximaler Druck“ werde auf die Regierung Gambias ausgeübt, damit sie endlich einlenkt, schreibt ProPublica unter Berufung auf Diplomatische Korrespondenz, anonyme Quellen sowie einen ranghohen Mitarbeiter des zuständigen Ministeriums.
Nachdem etwa ein Treffen in Washington zwischen Vertreter:innen von Starlink und des Kommunikationsministeriums im März hitzig und letztlich ergebnislos verlaufen war, platzte überraschend ein danach angesetztes Meeting im Außenministerium – augenscheinlich abgesagt von Starlink und nicht von der US-Regierung.
Am gleichen Tag wandte sich ProPublica zufolge die US-Botschafterin an den Präsidenten von Gambia: Auf drei Seiten habe sie die Vorzüge des privaten Satellitennetzwerks beworben und wie Gambia davon profitieren könne. „Ich bitte Sie respektvoll, die notwendigen Genehmigungen für die Aufnahme des Starlink-Betriebs in Gambia zu erteilen“, soll sie gefordert haben.
Staat und Privatwirtschaft aus einer Hand
Eine derartige Verquickung staatlicher und privater Interessen hat es seit langem nicht gegeben. Schließlich ist Musk nicht nur Unternehmer, sondern auch einflussreicher Berater der US-Regierung. Rund 300 Millionen US-Dollar hat er in den vergangenen Wahlkampf gesteckt, um Donald Trump ins Amt zu hieven. Als Belohnung erhielt er massiven Einfluss auf die US-Regierung, zerlegt mit seinem DOGE-Gremium staatliche Strukturen, klemmt humanitäre Projekte ab – und versucht dabei sicherzustellen, dass seine eigenen Firmen möglichst viel davon profitieren.
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Gambia ist bei weitem nicht das einzige Land, das sich mit solchen Erpressungstaktiken herumschlagen muss. Ähnliches spielte sich unter anderem in Lesotho, Kamerun oder Somalia ab. Auch abseits des afrikanischen Kontinents war die US-Regierung oft genug damit erfolgreich, zumal der von Trump losgetretene Handelskrieg hinzukommt: Zumindest teilweise eingeknickt sind etwa Indien, Pakistan oder Bangladesch.
Das Muster wiederholt sich: „Während die Regierung von Lesotho über ein Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten verhandelt, hofft sie, dass die Lizenzierung von Starlink ihren guten Willen und ihre Bereitschaft zeigt, US-Unternehmen willkommen zu heißen“, heißt es in einem internen Memo des US-Außenministeriums, berichtete die Washington Post.
Neue Form des Kolonialismus
In Infrastrukturfragen befinden sich viele Länder des Globalen Südens in der Klemme. Laut Vereinten Nationen herrscht beim Internetzugang bis heute eine große Spaltung, der sogenannte Digital Divide, zwischen armen und reichen Ländern vor. Tech-Konzerne wie Google, Meta, Amazon oder Starlink drängen sich mit ihren Infrastrukturangeboten als Problemlöser auf, vermarkten ihre Initiativen als Rettung für unterversorgte Gebiete und bauen dabei langfristige Abhängigkeiten auf.
Gambia beispielsweise hat erst vor knapp einem Jahrzehnt sein autoritäres System abgeschüttelt, fast die Hälfte der knapp 2,5 Millionen Einwohner:innen lebt der Weltbank nach von weniger als 4 US-Dollar pro Tag. Trotz der begrenzten Ressourcen spielt das Internet eine immer wichtigere Rolle: Mindestens die Hälfte der Bevölkerung nutzt regelmäßig das Netz, was über dem afrikanischen Durchschnitt liegt.
Inzwischen hat sich der Telekommunikationsmarkt zu einem der wichtigsten Sektoren im landwirtschaftlich geprägten Gambia entwickelt. Gleich vier Mobilfunkbetreiber, einer davon staatlich, haben der Regulierungsbehörde Pura zufolge im Jahr 2020 insgesamt 2,7 Millionen Anschlüsse zur Verfügung gestellt, dazu kam der Staatsmonopolist mit knapp 50.000 Festnetzanschlüssen. Der Regierung nach soll allein dieser Sektor mehr als 20 Prozent der Steuereinnahmen ausmachen, schreibt ProPublica.
Warum Musk derart aggressiv versucht, in diesen Markt einzusteigen, bleibt unklar. Allerdings gehe aus internen Dokumenten des US-Außenministeriums hervor, dass es Starlink einen Startvorteil verschaffen will: Wer als erster einen Markt besetzt, ist anschließend nur schwer wieder zu verdrängen. Hinzu komme der Versuch, den wachsenden Einfluss Chinas in vielen Weltregionen einzudämmen.
Markt besetzen, Preise erhöhen
Dabei scheint es keine grundsätzliche Ablehnung der Regierung in Gambia gegenüber Starlink zu geben. Umgekehrt soll sich das Unternehmen jedoch etwa geweigert haben, die anfallende Lizenzgebühr von 85.000 US-Dollar zu zahlen. Begonnen hat dieser Genehmigungsprozess bereits unter Trumps demokratischem Vorgänger Joe Biden, den Druck erhöht hatte aber erst die neue republikanische Administration.
Dass eine sorgfältige Abwägung notwendig ist, zeigt nicht zuletzt Starlinks Auftreten in Nigeria. Dort war der US-Anbieter Anfang 2023 in den Markt eingestiegen und schaffte es innerhalb kurzer Zeit, zum zweitgrößten Netzanbieter aufzusteigen. Ende des Vorjahres versuchte das Unternehmen, an jeder Regulierung vorbei, die Preise um 50 Prozent zu erhöhen. Es ist eine Taktik, wie man sie von anderen Tech-Unternehmen wie beispielsweise Uber kennt. Den drastischen Preisanstieg konnte Starlink zwar zunächst nicht durchsetzen, im Januar genehmigte ihn die nigerianische Regulierungsbehörde mit Verweis auf die hohe Inflationsrate letztlich doch.
Zukunftsmarkt Satelliteninternet
Internetversorgung über Satelliten im erdnahen Orbit gilt als rasant wachsender Zukunftsmarkt, neben Starlink sind etwa auch Amazon oder der französisch-britische Anbieter Eutelsat OneWeb eingestiegen. Selbst wenn die Technik nicht mit kabelgebundenen Leitungen wie Glasfaser konkurrieren kann, lassen sich durch die verhältnismäßig geringe Distanz zur Erde akzeptable Bandbreiten und Latenzzeiten realisieren. In manchen Fällen kann die Versorgung über Satellit zudem billiger sein, als aufwändige Bauarbeiten durchzuführen.
Auch im reichen Deutschland wird der Anbieter deshalb punktuell für eine Mindestversorgung mit Internet herangezogen, wenn der traditionelle Ausbau wirtschaftlich nicht rentabel ist. Außerdem nutzen Behörden wie die Bundespolizei, die Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich und das Bundeskriminalamt die Satellitentechnik des US-Multimilliardärs.
Gefährliche Abhängigkeit
Sich vom rechtsradikalen Firmenchef Elon Musk abhängig zu machen, der weltweit Gesinnungsgenossen wie die AfD unterstützt, dürfte indes keine gute Idee sein. Vor grundsätzlichen Problemen dieser Art warnte bereits vor Jahren eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Konkret ablesen lässt sich das etwa an der Ukraine, die sich seit gut drei Jahren gegen den russischen Aggressor verteidigt und kaum ohne die Technik auskommt. Bereits mehrfach wurde das Land in kritischen Kriegsphasen von plötzlichen Ausfällen und regionalen Beschränkungen überrascht. Nach Drohungen auf seinem Kurznachrichtendienst X und folgenden diplomatischen Schlagabtäuschen sah sich Musk zuletzt im März gezwungen zu versichern, Starlink nicht weiter als Druckmittel benutzen.
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Author: Tomas Rudl
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