#interveniert

Michael Karbachersozialwelten@ifwo.eu
2025-08-24

Die #Struktur des #öffentlich​en #Raum​s werde durch den #Wandel, der mit der #Entwicklung von #Email und #Internet einhergehe von #Grund auf #verändert.

Wenn ein #Staat #interveniert, um #privat​e #Kommunikation zu #überwachen und zu #verbieten, komme es zu einer #Umwälzung sämtlicher #Element​e der #Gastfreundschaft.

Die #Möglichkeit dazu stehe am #Ursprung von #Reaktion​en und #Ressentiment​s, die auf #Säuberung​en aus seien.

Jacques #Derrida - Von der #Gastfreundschaft, S. 38 ff.

uns die Lesarten Benvenistes ebenso wertvoll wie problematisch erscheinen, wir wollen hier aber nicht mehr darauf zurückkommen.

Heute wollen wir davon ausgehend direkt auf den Wert des Fremden zu sprechen kommen, diesmal vor dem Hintergrund der „griechischen Welt" (deren Einheitlichkeit und Identität wir vorläufig einmal voraussetzen), wobei wir uns aber bemühen werden – denn die Sache ist nicht einfach –, in einem vielfachen Kommen und Gehen möglichst häufig hin und her zu schwenken zwischen den Fragen, die uns am Ende dieses Jahrtausends bedrängen, und der Tradition, aus der wir die Begriffe, die Lexik sowie die grundlegenden und scheinbar natürlichen und unantastbaren Axiome empfangen. Häufig zwingt uns der technisch-politisch-wissenschaftliche Wandel, diese vorgeblich natürlichen Evidenzen oder unantastbaren Axiome zu dekonstruieren – die er in Wahrheit von selbst dekonstruiert. Zum Beispiel von der erwähnten lateinischen oder griechischen Tradition ausgehend.

So haben wir – in der letzten Sitzung – schon einmal versucht, das, was im Zusammenhang mit E-mail und Internet geschieht, in unsere Problematik der „Gastfreundschaft" zu übersetzen. Von den unzähligen Zeichen des Wandels, die mit der Entwicklung von E-Mail und Internet einhergehen, das heißt all dem, wofür diese Namen ein Indiz sind, wollen wir zunächst einmal diejenigen herausgreifen, die die Struktur des sogenannten öf-
...ten eines Problems zu analysieren. Heutzutage über die Gastfreundschaft nachzudenken, setzt, unter anderem, die Möglichkeit einer strikten Festlegung von Schwellen und Grenzen voraus: zwischen dem Familiären und dem Nicht-Familiären, dem Fremden und dem Nicht-Fremden, dem Bürger und dem Nicht-Bürger, zuallererst aber zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen, dem Privatrecht und dem Öffentlichen Recht usw. Die Privatform (Briefe, Postkarten usw.) soll innerhalb eines Landes und zwischen zwei Ländern im Prinzip ohne Kontrolle zirkulieren. Sie darf weder gelesen noch abgefangen werden. Dasselbe gilt für das Telefon, das Fax, die E-mail und natürlich auch für das Internet. Zensur- und Abhörmaßnahmen oder das Abfangen von Briefen sind im Prinzip entweder Delikte oder stellen Maßnahmen dar, die einzig und allein aus Staatsräson erlaubt sind, der Räson eines Staates gemäß, der den Auftrag hat, die Integrität des Territoriums, die Souveränität, Sicherheit und Verteidigung der Nation zu gewährleisten. Was aber geschieht, wenn ein Staat interveniert, um private Kommunikationen nicht nur zu überwachen, sondern zu verbieten, unter dem Vorwand, sie seien pornographisch, was bis auf weiteres weder die öffentliche Sicherheit noch die Integrität des Staatsgebiets gefährdet hat? Ich nehme einmal, ohne über ausreichend Information zu verfügen, an, dass das Argument, mit dem man diese staatliche Intervention zu rechtfertigen versucht,
...einer Umwälzung sämtlicher Elemente der Gastfreundschaft. Mein Zuhause (chez-moi) war zwar auch durch den Zugang meines Telefonanschlusses konstituiert (dank dem ich meine Zeit, mein Wort, meine Freundschaft, meine Liebe, meine Hilfe schenken kann, wem ich will, dank dem ich also wen auch immer ich will einladen kann, bei mir, chez moi, einzutreten, zunächst in mein Ohr, wann immer ich will, zu jeglicher Tages- und Nachtzeit, ob der andere nun mein Nachbar vom gleichen Stock, ein Mitbürger oder irgendein Freund oder Unbekannter vom anderen Ende der Welt ist). Wenn nun aber mein im Prinzip unverletztliches „Zuhause" auch und immer wesentlicher, innerlicher durch meinen Telefonanschluss konstituiert wird, sowie durch meine E-mail, mein Fax, meinen Internetzugang, dann wird die Intervention des Staates zu einer Verletzung des Unverletztlichen, gerade dort, wo die unverletzliche Immunität die Bedingung der Gastfreundschaft bleibt.

Die so beschriebenen Möglichkeiten sind keineswegs abstrakter oder unwahrscheinlicher als das Abhören von Telefonen. Telefone werden nicht nur von der Polizei oder den Sicherheitsorganen des Staates abgehört. Vor einigen Wochen las ich in einer Zeitung eine Meldung, dass eine bestimmte Art von Geräten in Deutschland auf dem freien Markt käuflich sei (an die 20 000 davon waren bereits verkauft, als die deutsche Justiz begann, sich beunruhigt zu zeigen). Diese Geräte erlauben es
...dass man virtuell fremdenfeindlich werden kann, um die eigene Gastfreundschaft, das eigene Zuhause, das die eigene Gastfreundschaft ermöglicht, zu schützen oder es zumindest vorzugeben. (Denken Sie auch an die Xenotransplantation, von der wir letztes Mal sprachen). Ich will bei mir zu Hause Herr sein (ipse, potis, potens, Hausherr, wir haben das alles schon gesehen), um empfangen zu können, wen ich möchte. Ich beginne für einen unerwünschten Fremden und virtuell für einen Feind zu halten, wer auch immer in mein „Zuhause" eindringt und in meine Selbstheit, mein Gastfreundschaftsvermögen, meine Souveränität als Gastgeber eingreift. Dieser Andere wird zu einem feindlichen Subjekt, dessen Geisel ich zu werden drohe.

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