Digitale Souveränität: Zwischen Trump, Cloud Act und OpenDesk – ZenDiS bei #9vor9
Es ist heiß – nicht nur draußen, sondern auch in der Debatte um digitale Souveränität. Plötzlich ist das Thema in aller Munde, dabei wird die Abhängigkeit von US-Konzernen schon seit Jahren kritisiert. Doch jetzt, nach dem erneuten Erfolg von Trump bei den US-Wahlen und einigen spektakulären Vorfällen, fragt sich plötzlich auch der Mainstream: Werden wir im Ernstfall überhaupt souverän handeln können? Die Antwort ist: Nur, wenn wir uns trauen, echte Alternativen zu nutzen.
https://www.youtube.com/watch?v=A3KP0vLnzoA
Souveränität – mehr als nur ein Buzzword
Alexander Smolianitski, Leiter Open-Source-Produkte beim ZenDiS, dem Ende 2022 gegründeten Zentrum für digitale Souveränität, bringt es bei uns im Podcast #9vor9 auf den Punkt: Souveränität bedeutet, jederzeit die Möglichkeit zu haben, zu wechseln. Das klingt simpel, ist aber in der Praxis ein revolutionärer Gedanke – gerade für die Verwaltung, die seit Jahrzehnten in den Fängen von Microsoft und Co. steckt.
„Wir sind so ein kleiner Rebell innerhalb der Verwaltungsfamilie“, sagt Alex – und das ist nötig, denn die öffentliche Hand ist auf dem globalen Markt oft nur ein kleiner Fisch, dessen Gelder gerne genommen werden, aber dessen spezielle Wünsche von Big Tech oft ignoriert werden. Doch der „kleine Fisch“ deutsche Öffentliche Hand überweist immerhin Millionen von Euro, nach einigen Berechnungen summiert sich das auf mehr als eine Milliarde Euro für Produkte und Dienstleistungen nach Redmond, Gelder, die man gut auch in die europäische IT-Industrie investieren könnte.
Open Source: Plötzlich Applaus statt Augenrollen
Noch vor wenigen Jahren war Open Source für viele ein Nerd-Thema. Gescheiterte Projekte wie Limux in München wurden immer wieder als „Beweis“ dafür herangezogen, dass es nicht funktioniert. Heute bekommt Open Source Applaus – weil Transparenz, Teilhabe und digitale Souveränität eben mehr sind als ein Spielzeug für IT-Enthusiasten. Wer digitale Kontrolle wirklich will, kommt an offenen Quellen nicht vorbei. Und man sieht in Europa und gerade auch in Deutschland viel neue Bewegung, gerade auch um ein Gegengewicht zur Microsoft-Dominanz im Office-Umfeld zu schaffen. Das ZenDiS mit Open Desk ist die wahrscheinlich wichtigste Initiative, aber auch Ionos und Nextcloud wollen mit „Nextcloud Workspace“ eine weitere souveräne, DSGVO-konforme Office-Suite aus Deutschland anbieten.
Das Problem: Ohne politischen Willen bleibt es beim frommen Wunsch. Und der politische Wille ist oft schwankend – wie die Beispiele des Landes Niedersachsen, das Microsoft Teams einführt, oder der Bundeswehr zeigen. So setzt die Bundeswehr setzt auf die Google Cloud. Kritiker warnen vor Datenzugriff durch US-Behörden, doch das BWI, IT-Systemhauses der Bundeswehr, argumentiert: SAP-Anwendungen laufen nur mit Hyperscalern wie Google.
Das Dilemma der digitalen Souveränität
Ähnlich wird auch von vielen Seiten bezüglich des Einsatzes von Microsoft365 beziehungsweise Microsoft Office argumentiert. Die Verwaltung in Deutschland ist geprägt von sogenannten Fachverfahren – Software, die oft schon seit der Dotcom-Blase existiert und sich seither kaum verändert hat. Viele dieser Anwendungen funktionieren bisher nur in der Microsoft-Welt, weil sie auf Word oder Excel setzen. Open Source? „Geht nicht, weil meine Excel-Makros dann nicht mehr funktionieren“, ist die Aussage, die man oft hört.
Die Abhängigkeit bleibt – das Dilemma europäischer Digitalpolitik. So wird aus dem Wunsch nach Souveränität schnell ein Teufelskreis: Man möchte unabhängig sein, doch die eigenen Fachverfahren und Prozesse sind oft tief mit proprietären Lösungen verwoben, dass ein Ausstieg unmöglich scheint.
Microsoft, der „Hilfssheriff“ – und warum wir Alternativen brauchen
Dabei hat Microsoft in der Vergangenheit gezeigt, wie schnell politische Entscheidungen die Arbeit von Behörden, Gerichten oder Unternehmen beeinflussen können. Die umstrittene Sperre des E-Mail-Kontos des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs auf Anweisung von US-Präsident Trump war ein neuerlicher Weckruf. Zwar rudert Microsoft zurück: Künftig sollen Sperrentscheidungen bei US-Sanktionen den Kunden überlassen werden. Doch das ändert nichts an der grundsätzlichen Abhängigkeit. Wer wirklich souverän sein will, muss Alternativen aufbauen – und nutzen.
OpenDesk & Co.: Endlich echte Wahlfreiheit jenseits der Microsoft Cloud?
ZenDiS hat in den vergangenen Monaten mit OpenDesk eine Alternative zu Microsoft 365 geschaffen. Ein kompletter digitaler Arbeitsplatz, bestehend aus E-Mail, Kalender, Dateiablage, Dokumentenbearbeitung, Projektmanagement, Chat und Videokonferenz – alles auf Open-Source-Basis. Dahinter stehen Partner wie Univention, Nextcloud, Open-Xchange, Collabora und viele mehr. Das Besondere: OpenDesk ist nicht nur eine Sammlung von Tools, sondern ein integriertes Ökosystem, das über einen Single Sign-On erreichbar ist. Die Komplexität wird für die Nutzer:innen unsichtbar gemacht – es gibt einen Support-Kanal und ein einheitliches Lizenzmodell.
Open Source, komplett in deutschen Rechenzentren, für Unternehmen und Behörden. Endlich echte Wahlfreiheit? Die Herausforderung bleibt, die verschiedenen Open-Source-Tools logisch zu verknüpfen und Managed Services sowie Supportmodelle anzubieten. Doch die Chancen stehen gut, denn die beteiligten Unternehmen haben durchaus viel Erfahrung.
Betriebsmodelle: Flexibilität als Trumpf
Während Microsoft seine Werkzeuge immer mehr in die Microsoft Azure-Cloud verlagert, bietet OpenDesk Alternativen. Wer bei Microsoft alle neuen Funktionen und die volle Integration mit Künstlicher Intelligenz und Collaboration will, muss zwangsweise in die Microsoft-Cloud – und wer On-Premise bleiben will, wird technisch und funktional zurück gelassen. Kritiker sprechen von Alarmzeichen und einem goldenen Microsoft-Käfig, in dem Deutschland bald sitze.
OpenDesk kann demgegenüber auf verschiedene Arten betrieben werden: als Community-Version, als Software-as-a-Service bei einem nationalen Hyperscaler, on-premise im eigenen Rechenzentrum oder sogar in einer Confidential Cloud für besonders sensible Daten. Das ist ein echter Vorteil gegenüber den großen Anbietern, bei denen immer das Misstrauen bleibt, dass die US-Administration auf Basis des Cloud Acts oder der Executive Order 12333 Dateneinsicht verlangen und bekommen könnte.
KI, Lobbyismus und der heiße Scheiß
Doch kann ZenDiS mit OpenDesk angesichts des Hypes rund um Künstliche Intelligenz und Large Language Models (LLMs) mithalten? Die großen Anbieter werben mit ihren KI’s und automatisierten Prozessen. Microsofts Copilot werde endlich gut, berichtet beispielsweise die FAZ: Die zweite Copilot-Welle verschmelze Word, Excel und Teams mit einem KI-Layer. Unternehmen, die Copilot abonnieren, könnten ihre Workflows direkt mit Microsofts Cloud verknüpfen – und könnten dadurch an Produktivität gewinnen.
Mit solchen Aussagen sieht sich natürlich auch ZenDiS konfrontiert. Kann ein OpenDesk mit der KI-Power der Großen mithalten? Man hat reagiert: OpenDesk setzt auf standardisierte Schnittstellen, so dass verschiedene KI-Engines angeschlossen werden können – solange sie datenschutzkonform sind. Die ersten KI-Integrationen sollen noch dieses Jahr kommen. Das wäre ein wichtiges Signal, denn viele Verwaltungen wollen nicht auf Large Language Models setzen, die nicht in Europa gehostet und nach europäischen Gesetzen betrieben werden. Pläne von Präsident Trump, KI zehn Jahre lange nicht zu regulieren, tragen dabei bestimmt nicht zum Vertrauen bei den Europäern bei. Und mit Mistrals Le Chat gibt es ja durchaus europäische Alternativen.
Sichere Lieferketten und der Weg der Entwicklung
Ein weiterer Punkt, der oft unter den Tisch fällt: Wie kommt Software eigentlich in die Behörden? Alex weist auf die Bedeutung sicherer Lieferketten hin. Es reicht nicht, nur Open Source zu nutzen – auch der Weg, wie der Code entwickelt, gespeichert und ausgeliefert wird, muss transparent und nachvollziehbar sein. Ein Thema, das in Zukunft noch wichtiger werden wird.
Alex betont im Podcast, dass europäische Zusammenarbeit für ZenDiS entscheidend ist: Deutschland, Frankreich und die Niederlande arbeiten gemeinsam an vergleichbaren Office- und Kollaborationssuites auf Open-Source-Basis, etwa „La Suite“ in Frankreich. Ziel ist, durch länderübergreifende Projekte und Interessensgemeinschaften nachhaltige, unabhängige Lösungen zu schaffen, die nicht von einzelnen Akteuren abhängen, sondern von einer breiten Community getragen werden.
Geht es denn ohne MS?
Viele sagen: „Man kann ja eh nichts machen, alle nutzen Microsoft & Co.“ Falsch, eine selbst erfüllenden Prophezeiung! Open Source bietet durchaus unterdessen echte Alternativen, fördert Innovation und schützt vor digitaler Fremdbestimmung. Es ist Zeit, umzudenken, meint nicht nur ein Harald Schirmer. Sogar im FAZ Digitalwirtschaft-Podcast wird Open Source aktiv als valide Alternative für Europa empfohlen. Unabhängigkeit, Transparenz und digitale Souveränität sind das, was Europa genau jetzt braucht.
Und das muss keine Utopie bleiben: ZenDiS berät Bund, Länder und Kommunen, bietet ein „Souveränitätspaket“ aus Open-Source-Produkten, strategischer Beratung und Plattformen. Ziel: die digitale Unabhängigkeit der Verwaltung von US-Konzernen und proprietärer Software.
Fazit: Mut zur Veränderung
Das Interesse an OpenDesk ist laut Alex riesig – tausende Anfragen aus Bundesbehörden, Ländern, Kommunen und Universitäten sprechen eine klare Sprache. Sogar das oben noch gescholtene IT-Systemhaus der Bundeswehr BWI hat mit Zendis einen Rahmenvertrag über „souveräne Kommunikations- und Kollaborationslösungen“ wie OpenDesk geschlossen. Doch am Ende kommt es jetzt auf eines an: Erfolgreiche Referenzen, zufriedene Kunden in der Öffentlichen Verwaltung. Es muss also schnellstens gelingen, in einem Bundesland oder einer großen Kommune zu zeigen, dass Open Source-basierte Lösungen funktionieren. Egal ob eine OpenDesk-basierte Referenz oder ein erfolgreiches Open Source-Projekt in Schleswig Holstein: es gilt nachzuweisen, dass es sich nicht nur eine Idee ist, sondern es echte Alternativen zu Microsoft gibt.
Alex lädt Verwaltungen ein: „Wir können helfen, den richtigen Weg zu finden.“ Es ist eine Einladung, sich von alten Abhängigkeiten zu lösen und digitale Souveränität wirklich zu leben. Ob das gelingt? Die Chance war wohl noch nie so gut – wenn die Verwaltungen den Mut zur Veränderung aufbringen. Und vielleicht ist das der größte Fortschritt: Dass die Diskussion überhaupt geführt wird. Denn wer weiß schon genau, wie viele Millionen US-Dollar jedes Jahr nach Redmond fließen – und wie viel davon eigentlich in Bochum, Bremen oder Berlin bleiben könnte? In Bochum, dem Sitz von ZenDiS, quasi dem Sherwood Forest der digitalen Souveränität, wird gerade Geschichte geschrieben. Und wer weiß: Vielleicht ist Microsoft ja bald nur noch eine Option unter vielen.
Digitale Souveränität für die öffentliche Verwaltung: Gespräch mit Alexander Smolianitski vom ZenDIS – #9vor9 – Die Digitalthemen der Woche
Was bedeutet digitale Souveränität wirklich – und wie kann sie in der öffentlichen Verwaltung gelingen?In dieser Episode sprechen wir mit Alexander Smolianitski, Leiter Open-Source-Produkte beim ZenDiS – Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung, über die Herausforderungen und Chancen im Bereich Open Source, digitale Souveränität und alternative IT-Infrastrukturen in Deutschland.Im Fokus steht das Projekt OpenDesk, eine Open-Source-basierte Arbeitsplatz-Suite, die eine echte Alternative zu Microsoft 365 bietet – entwickelt für, mit und in der Verwaltung. Alexander berichtet, warum Souveränität mehr ist als ein Buzzword, wie OpenDesk aufgebaut ist (Nextcloud, Open-Xchange, Collabora & Co.), welche Betriebsmodelle Behörden haben (SaaS, On-Prem, Confidential Cloud), und wie KI-Lösungen souverän und datenschutzkonform integriert werden können.Viel Spaß beim Hören
#9vor9 #Bundeswehr #Computerwoche #Google #Handelsblatt #Ionos #Microsoft #Nextcloud #Office #OpenDesk #OpenSource #ZenDiS