#EUReform

Europa am Scheideweg

Wie wir ein selbstverständliches Projekt wieder sichtbar machen müssen

Europa als Idee und Alltag

Die Europäische Union ist in aller Munde – zumindest vor Wahlen, bei Krisen oder in hitzigen Debatten. Doch wie sehr ist Europa wirklich Teil unseres Alltags? Und wie sehr sind wir bereit, über die Zukunft dieses Projekts nicht nur zu diskutieren, sondern auch mitzuentscheiden?

In diesem Blogbeitrag greife ich die Fragen auf: Wo steht Europa heute? Was bringt uns die EU konkret? Wer profitiert, wer leidet? Und wie könnte – wie sollte – Europa morgen aussehen?

Und möchte noch ein wenig tiefer gehen: historisch, politisch, sozial. Denn Europa ist ein Prozess – und wir sind alle Teil davon.

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Die stille Revolution: Was Europa längst verändert hat

Viele Vorteile der EU sind unsichtbar geworden – gerade weil sie heute selbstverständlich erscheinen. Die Einführung des Euro in 20 Ländern. Die Abschaffung der Grenzkontrollen im Schengenraum. Die gegenseitige Anerkennung von Berufsabschlüssen. Die Roamingfreiheit beim Telefonieren. Der Verbraucherschutz bei Onlineshopping. Die Entschädigung bei Flugverspätungen. Die einheitliche Kennzeichnung von Allergenen in Lebensmitteln.

Was wie eine lange Liste technischer Details klingt, ist in Wahrheit eine tiefgreifende Veränderung unseres Alltags. Europa hat Märkte, Rechte und Mobilität geschaffen. Es hat Bedingungen gesetzt für Frieden, Wachstum und Zusammenarbeit. Und das alles in einem historischen Kontext, in dem die Nationalstaaten dieses Kontinents sich über Jahrhunderte bekriegt haben.

Doch genau weil diese Errungenschaften so tief in unseren Alltag eingesickert sind, haben wir sie aus dem Blick verloren. Europa ist eine Infrastruktur geworden – wie Strom oder Internet. Und wie bei diesen Netzen wird es erst spürbar, wenn etwas nicht mehr funktioniert.

Warum es so viele Meinungen über Europa gibt

Die EU polarisiert. Für die einen ist sie ein Symbol für Frieden, Freiheit und Fortschritt. Für die anderen eine entmenschlichte Bürokratie, intransparent und elitär. Aber warum ist das so?

Ein Grund liegt in der Vielfalt Europas selbst. 27 Mitgliedsstaaten mit unterschiedlichen Sprachen, Kulturen, historischen Erfahrungen, wirtschaftlichen Strukturen und politischen Traditionen bilden zwangsläufig keinen homogenen Block. Ein arbeitsloser Jugendlicher in Spanien sieht Europa anders als ein Tech-Investor aus Estland. Eine polnische Pflegekraft in Deutschland hat eine andere Perspektive als ein Milchbauer aus Frankreich.

Hinzu kommt: Europa ist nicht identitätsstiftend im klassischen Sinn. Es hat keine einheitliche Nationalgeschichte, keine gemeinsame Sprache, kein Heldenepos. Die EU basiert nicht auf Gefühlen, sondern auf Verträgen. Und das macht sie rational stark, emotional aber oft schwach.

Gerade in Zeiten multipler Krisen – Brexit, Pandemie, Ukrainekrieg, Energiekrise, Inflation, Migration – wird deutlich: Es gibt nicht eine europäische Perspektive. Es gibt viele. Und das macht die Debatte schwierig, aber auch spannend.

Was bringt uns die EU – und wem nutzt sie wirklich?

Die EU ist für viele ihrer Bürger:innen vor allem eines: ein Garant für Freiheit und Stabilität. Sie ermöglicht jungen Menschen Bildung und Austauschprogramme wie Erasmus. Sie schafft einen gemeinsamen Binnenmarkt, der gerade für mittelständische Unternehmen Chancen bietet. Sie setzt Standards beim Klima- und Umweltschutz, beim Datenschutz, bei Produktqualität und Arbeitnehmerrechten.

Aber es gibt auch berechtigte Kritik:

  • Die wirtschaftliche Ungleichheit zwischen Nord und Süd ist durch Sparpolitik teils verschärft worden.
  • Der Einfluss von Lobbygruppen in Brüssel ist vielfach dokumentiert.
  • Die Komplexität der Entscheidungsprozesse macht es schwer, Verantwortlichkeiten nachzuvollziehen.
  • Und bei Themen wie Asylpolitik oder Rüstung zeigt sich immer wieder: Es fehlt an echter Einigkeit.

Dennoch: Ohne die EU wären viele Probleme national gar nicht mehr zu lösen. Klimapolitik, Cybersicherheit, globale Lieferketten, Bankenregulierung – all das übersteigt die Kapazitäten einzelner Staaten. Die Frage ist nicht: Brauchen wir die EU? Sondern: Welche EU brauchen wir?

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Wer entscheidet über Europas Zukunft?

Die Europäische Union ist ein komplexes System aus mehreren Institutionen:

  • Die EU-Kommission: Schlägt Gesetze vor, überwacht die Einhaltung der Verträge, hat das „europäische Interesse“ im Blick.
  • Das Europäische Parlament: Wird alle fünf Jahre direkt gewählt, entscheidet mit über Gesetze und Haushalt.
  • Der Rat der EU und der Europäische Rat: Vertreten die Mitgliedsstaaten, bestimmen politische Leitlinien.

Dazu kommen der Europäische Gerichtshof, die EZB, der Rechnungshof, zahllose Ausschüsse, Beiräte und Agenturen.

Kritiker sprechen von einem „demokratischen Defizit“, weil viele Entscheidungen schwer durchschaubar sind. Andererseits: Noch nie hatten Bürger:innen in so vielen Ländern gemeinsam die Möglichkeit, ein supranationales Parlament zu wählen. Die EU ist kein Bundesstaat, aber mehr als ein Staatenbund. Sie ist ein Hybrid – und damit schwer einzuordnen.

Was feststeht: Die Zukunft Europas wird nicht nur in Brüssel oder Straßburg entschieden, sondern auch an Wahlurnen, in den Medien, in Bürgerversammlungen, in Gerichtssälen, in Schulen und Universitäten. Und in unseren Gesprächen.

Deutschlands Rolle: Motor, Mahner, Machtfaktor

Deutschland gilt als einer der Hauptnutznießer der EU. Der Exportboom der deutschen Wirtschaft wäre ohne Binnenmarkt und Euro nicht denkbar. Gleichzeitig ist Deutschland oft Vermittler zwischen Ost und West, zwischen sparsamen Nordstaaten und investitionsfreudigem Süden.

Doch diese Rolle bringt Verantwortung mit sich. Deutschland muss Kompromisse eingehen, eigene Interessen zurückstellen und zugleich Erwartungen erfüllen. Gerade bei der Aufnahme Geflüchteter, bei der Energiewende oder in der Ukraine-Politik ist das nicht immer gelungen.

Zugleich wächst auch in Deutschland die Zahl der EU-Kritiker. Die Frage ist: Wird Deutschland seiner Rolle als Stabilitätsanker gerecht – oder gefährdet es durch nationale Rückzugsbewegungen den europäischen Zusammenhalt?

Europa als Generationenfrage

Europa ist auch eine Frage des Alters. Die junge Generation hat mit Erasmus, Interrail, TikTok und Streaming-Diensten ein europäisches Lebensgefühl. Sie kennt keine Grenzkontrollen, keine Währungsumrechnungen, keinen Kalten Krieg.

Gleichzeitig sind junge Menschen besonders betroffen von europäischer Politik: in der Klima- und Bildungspolitik, auf dem Arbeitsmarkt, beim Wohnungsbau.

Die große Frage ist: Fühlen sich junge Menschen als Teil Europas – oder nur als Nutznießer eines Systems, das sie nicht beeinflussen können?

Europa braucht eine neue Beteiligungskultur. Mehr Jugendbeteiligung, niedrigere Zugangshürden, transparente Kommunikation. Sonst wird aus einem gemeinsamen Projekt eine ferne Behörde.

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Der Auftrag: Europa neu erzählen

Europa ist mehr als Politik. Es ist Kultur, Geschichte, Sprache, Musik, Alltag. Um das europäische Projekt zu stärken, brauchen wir neue Narrative:

  • Europa als Friedensversprechen – nach innen wie nach außen.
  • Europa als soziale Union – mit fairem Lohn, guter Bildung und Gesundheit.
  • Europa als digitale Avantgarde – datenschutzfreundlich, nachhaltig, innovativ.
  • Europa als Kulturraum – offen, bunt, mehrsprachig.

Die EU braucht nicht nur Reformen – sie braucht auch Begeisterung. Und die entsteht, wenn wir uns wieder bewusst machen, wie viel uns verbindet.

Europa ist das, was wir daraus machen

Die EU ist weder perfekt noch unrettbar. Sie ist ein Werkzeug. Ein Rahmen. Ein Raum. Sie ist das, was wir daraus machen.

Wenn wir sie denen überlassen, die sie abbauen wollen, dann wird sie bröckeln. Wenn wir sie weiterentwickeln wollen, dann müssen wir uns einmischen.

Unsere Sendung „Europa am Scheideweg“ war ein Anfang. Dieser Blogbeitrag ist eine Einladung.

Lass uns reden. Lass uns streiten. Lass uns gestalten. Denn Europa ist nicht Brüssel. Europa sind wir.

Weiterführende Links und Quellen:

#Bürgerbeteiligung #Binnenmarkt #BrexitFolgen #DemokratieInEuropa #EUFürEinsteiger #EUInDerKrise #EUAlltag #EUGeschichte #EUKritik #EUReform #EuropaAmScheideweg #EuropaEinfachErklärt #Europawahl #europäischeIdentität #EuropäischeInstitutionen #EuropäischeUnion #KlimapolitikInDerEU #RolleDeutschlandsInDerEU #UkraineUndEuropa #VorteileDerEU #WasBringtDieEU #WerEntscheidetInEuropa #WieFunktioniertDieEU #ZukunftEuropas

Mehrere Flaggen europäischer Länder und der Europäischen Union wehen vor einem modernen, runden Glasgebäude mit mehreren Stockwerken und markanten weißen Fassadenelementen. Das Gebäude steht vor blauem Himmel, im Vordergrund sind unscharfe, helle Reflexionen sichtbar.Illustration einer wehenden Europaflagge: Die blaue Flagge mit einem Kreis aus zwölf gelben Sternen weht an einem weißen Fahnenmast vor einem hellblauen, nach außen dunkler werdenden Hintergrund.Modernes, rundes Glasgebäude mit vielen Etagen, davor mehrere Flaggen europäischer Länder und ein blauer Himmel im Hintergrund.
2025-05-21

📢 EU plant Asylreform: Abschiebungen in Drittstaaten sollen erleichtert werden. Amnesty warnt vor Gefahren für Menschenrechte und fordert Investitionen in das europäische Asylsystem. 👉 www.migazin.de/2025/05/21/e... #Asylpolitik #Menschenrechte #EUReform #Drittstaaten #Migration

EU will Asylregeln verschärfen...

Pulse of Europepulseofeurope
2025-04-10

Europa 🇪🇺 schaut erwartungsvoll auf die neue Koalition in Deutschland 🇩🇪. Ab wie ist ihre ? Der Auszug aus dem Koalitionsvertrag:








135 fff

👉 koalitionsvertrag2025.de

Volt Baden-Württembergvoltbw
2025-04-09

Längst ist klar: Nur mit einer geeigneten Stimme kann Europa die aktuellen multiplen Krisen bewältigen.
Konkret Punkte zum Thema sucht man im von Union und SPD trotzdem leider vergeblich.

2025-04-09

Bitter. Während Union und SPD kaum ein klares Wort zum Thema #EUReform finden, werden sie umso konkreter, wenn es um die demokratische Teilhabe bei Europawahlen geht:
Einführung einer Sperrklausel & Auszählung nach D'Hondt, welches Ergebnisse zugunsten stärkerer Parteien verzerrt

2025-04-09

Leider sehr wenig konkretes zur dringend notwendigen #EUReform im #Koalitionsvertrag.
Einstimmigkeit wird angesprochen, aber unklar was Union und SPD daraus machen wollen

2025-03-09

tl,dr: The world is shifting into Great Power Politics, with the U.S. retreating, Russia advancing, and China expanding its influence. Europe must step up or risk irrelevance. 

Introduction: A New Global Order and the Challenge for Europe

The world is witnessing a profound geopolitical transformation. The unipolar moment that followed the Cold War—where the United States dictated global […]

https://andrereichel.de/2025/03/09/europe-great-power-politics/

2025-03-09

Europe in the Age of Great Power Politics
tl,dr: The world is shifting into Great Power Politics, with the U.S. retreating, Russia advancing, and China expanding its influence. Europe must step up or risk irrelevance. 

Introduction:
andrereichel.de/2025/03/09/eur
#Europe #Geopolitics #Politics #DefenseStrategy #EconomicIndependence #EUReform #EuropeanLeadership #EuropeanUnion #ForeignPolicy #Geopolitics #GlobalPower #MultipolarWorld #StrategicAutonomy

Elmar Lützeml76
2025-03-01

youtube.com/watch?v=nWJmfOHgPv

Freiheit und Gerechtigkeit ist keine Frage von 🤔 Oder sollte es zumindest nicht sein 🤔 Wenn dem doch so ist muß sich die Welt, genauer die Menschheit, auf harte Zeiten einstellen. Denn dann werden die großen und mächtigen Deals untereinander ausmachen. Willkommen im 18ten und 19ten Jahrhundert 🤔 mit der hat wohl eine einmalige Herausforderung und Chance zugleich 🤔 Eine ist zb wegen dringend notwendig.

Claire 🌊🇪🇺🇫🇷🌍clbear31@mstdn.party
2025-01-27

6/ To survive, the EU must become more unified—federalized with a European defense industry & budget. Faster decision-making and stronger leadership are critical. #EUreform #FederalEurope

Claire 🌊🇪🇺🇫🇷🌍clbear31@mstdn.party
2025-01-27

2/ The EU has shown it can act in times of crisis (e.g., the pandemic), but that momentum fades quickly. The war in Ukraine is an ongoing test that requires urgent, unified action. #Ukraine #EUReform

2024-12-05

Mi instancia se está recuperando mejor de su catarro que yo del mío 🤒, así que el enlace debería funcionar... allí va, en francés, español e italiano, confirmación de mis sospechas sobre la operación "brossage d'ego" que resultará bastante útil para la reforma de la UE.

legrandcontinent.eu/es/2024/11

#UE #unioneuropea #Europa #EUpol #europol #europolitica #EU #Merz #Alemania #Francia #EUreform #GrandContinent

2024-10-02

A Carlos Cuerpo se le da mucho mejor hablar de Europa sin lenguaje de madera, pero bueno... no hay tantos gobiernos con 2 ministros publicando respuestas al informe Draghi en el Gran Continent así que tampoco puedo quejarme tanto.

legrandcontinent.eu/es/2024/10

#UE #InformeDraghi #Europa #politica #EUreform #EUpol #Draghi #europol

2024-09-22

@rvps2001 Looking forward to him convincing the Lithuanian government to join the #EUreform camp.

2024-09-19

Podríamos llamarlo cooperación RE-reforzada, o yo k sé...

#EUreform #UE #InformeDraghi #CarlosCuerpo #fantaEuropa

"El informe recoge numerosas propuestas desde el mayor uso de la mayoria cualificada o el recurso a acuerdos inter-gubernamentales. Es importante aterrizar los diferentes elementos mencionados en soluciones factibles para poder avanzar. En ese sentido, podriamos proponer otra propuesta: si algunos Estados miembros muestran un interés en querer avanzar en la integracién de algiin aspecto preciso, podrian definir junto con la Comision Europea unas condiciones legales operativas especificas para el funcionamiento de este proyecto piloto. Se pondria en marcha de manera inmediata y, durante el tiempo que se considere, con un horizonte temporal muy limitado, se ofreceria al resto de Estados miembros la opcién de incorporarse en el momento que lo consideren necesario. Una vez terminado, se evaluaria el impacto y se estimaria su resultado; si es positivo para el conjunto de la Unién en la integracién, se podria entonces poner en marcha —sin esperar una aprobacion que se habria demorado dos o tres afios—. Asi debe conjugarse la agilidad con el sentido de urgencia."
2024-06-10

Unfortunately you can't be mad at far-right parties for being far-right; that's who they are. But over the past 5 years, what have pro-Europeans done to democratise the EU? Where are #europeanparties? pan-EU campaigns? citizens' choice of the executive? an EU senate?
Citizens worked hard, in the #CoFoE, to make concrete proposals to reform EU institutions. What, if anything happened to any of this? It went to die on the table of the European Council. Today is the result.
#eureform
#eudemocracy

taz (inoffiziell)taz@squeet.me
2024-06-06
Die junge Partei Volt will wieder ins EU-Parlament einziehen. Während andere Parteien nationale Interessen bedienen, setzt sie allein auf Europa.#ParteiVolt #EU-Reform #Klimaschutzziele #Erstwähler #Europawahl #Europa #Politik #Schwerpunkt
Die Partei Volt vor der Wahl: Eis am Stiel für die EU
taz (inoffiziell)taz@squeet.me
2024-06-06
Die junge Partei Volt will wieder ins EU-Parlament einziehen. Während andere Parteien nationale Interessen bedienen, setzt sie allein auf Europa.#ParteiVolt #EU-Reform #Klimaschutzziele #Erstwähler #Europawahl #Europa #Politik #Schwerpunkt
Volt vor der Wahl: Eis am Stiel für die EU

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