Krah warnt die AfD-Bundestagsfraktion vor Verbot der IdentitÀren Bewegung
Dieser Artikel stammt von CORRECTIV.Faktencheck / Zur Quelle wechseln
Aktuelles
Krah warnt die AfD-Bundestagsfraktion vor Verbot der IdentitÀren Bewegung
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah erwartet das baldige Verbot der IdentitĂ€ren Bewegung (IB) Deutschland. Bei einem Vortrag vor Abgeordneten und Mitarbeitern der AfD-Fraktion erklĂ€rte er, dass die Partei sich klar von dem völkischen Konzept der âRemigrationâ distanzieren mĂŒsse, sonst drohe nicht nur das Verbot der IB, sondern der AfD.
14. Juli 2025
Maximilian Krah, hier vor Beginn der konstituierenden Sitzung des Bundestages im MÀrz, warnt seine Fraktion vor möglichem Verbot der IdentitÀten Bewegung. © picture alliance / SZ Photo | Jens Schicke
Der IdentitĂ€ren Bewegung in Deutschland droht nach Ăberzeugung des AfD-Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah ein Verbot. âDobrindt könnte heute den Stecker ziehenâ, sagte der AfD-Abgeordnete aus Sachsen in einem Vortrag vor Abgeordneten und Mitarbeitern der AfD-Bundestagsfraktion am vergangenen Donnerstag. Als konkreten Hinweis auf ein mögliches Verbot nannte Krah Hausdurchsuchungen, die nach dem âRemigrationskongressâ in Mailand stattgefunden haben. Diese wĂŒrden darauf hindeuten, dass ein Verbot der IdentitĂ€ren Bewegung noch im laufenden Jahr vorbereitet werde. Offiziell war der Grund fĂŒr die Hausdurchsuchung ein Verdacht auf VerstoĂ gegen das Passgesetz.
Als âIdentitĂ€re Bewegungâ bezeichnet sich ein Netzwerk rechter und rechtsextremer Aktivisten, die unter anderem in Frankreich, Ăsterreich und Deutschland aktiv sind. Ihr bekanntestes Gesicht ist der Rechtsextremist Martin Sellner aus Ăsterreich.
Der AfD-Mann aus Sachsen hielt am Donnerstagabend in einem Saal im Bundestag vor etwa 60 Abgeordneten und Mitarbeitern der AfD-Bundestagsfraktion einen Vortrag mit dem Titel, âVolk, Staat und Gesellschaft im Wandelâ. Krah begrĂŒndete in dem Vortrag auch seine Kehrtwende in der Frage der âRemigrationâ. 2023 hatte er in seinem völkischen Manifest noch die Wiederherstellung der deutschen Kultur durch âRemigrationâ oder Assimilierung gefordert. Jetzt schlĂ€gt er seiner Partei eine Abkehr von dem völkischen Konzept vor.
Krah: NÀhe zu Sellner und IdentitÀten Bewegung gefÀhrlich
Krah begrĂŒndet seine Warnung mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, das von âKlarheit und SchĂ€rfeâ sei.
Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts hatten im Juni zwar das Verbot des rechtsextremen Magazin Compact aufgehoben, aber das âRemigrationskonzeptâ von dem ideologischen Kopf der IdentitĂ€ren Bewegung (IB), Martin Sellner, als verfassungsfeindlich gewertet, wenn dieses sich auf StaatsbĂŒrger mit migrantischem Hintergrund bezieht. Sellner hatte 2023 auf Videos bei Compact die âRemigrationâ fĂŒr fĂŒnf bis sechs Millionen ânicht-assimilierter StaatsbĂŒrgerâ vorgeschlagen und bei dem Treffen in Potsdam 2023 unter anderem auch vor hochrangigen AfD-FunktionĂ€ren âRemigrationâ fĂŒr ânicht-assimilierte StaatsbĂŒrgerâ ĂŒber âAnpassungsdruckâ wie âmaĂgeschneiderte Gesetzeâ als âJahrzehnteprojektâ vorgeschlagen, wie die CORRECTIV-Recherche im Januar 2024 zeigte.
Diese Ansicht teilt auch Kyrill Schwarz, Juraprofessor aus WĂŒrzburg. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Compact habe deutlich gemacht, âwie hoch die HĂŒrden fĂŒr ein entsprechendes Verbot sindâ, schreibt Schwarz auf CORRECTIV-Anfrage. Das Urteil zeige aber zugleich, dass der âRechtsstaat eben nicht alles als â angebliche â MeinungsĂ€uĂerungâ hinzunehmen habe. Bei Compact sei es in der Gesamtschau zu wenig, um von einer deutlich ĂŒberwiegenden verfassungsfeindlichen Tendenz ausgehen zu können, schreibt Schwarz, âdas sehe ich bei der IB schon andersâ. Der Professor aus WĂŒrzburg rechnet daher mit âdeutlich besseren Chancen fĂŒr ein Verbotâ.
Krah erwartet das IB-Verbot schon im Laufe des Jahres und warnt vor Konsequenzen fĂŒr die Bundestagsfraktion der AfD. Der eine oder andere Mitarbeiter sei âin der Vergangenheit in der IdentitĂ€ren Bewegungâ gewesen, einige âvielleicht auch freundschaftlich verbundenâ, sagte Krah. In dem innerparteilichen Konflikt bezogen jedenfalls einige AfD-Bundestagsabgeordneten klar Position und teilten auf dem sozialen Netzwerk X Bilder, die ihre SolidaritĂ€t mit dem rechten Vorfeld artikulierten, zu dessen zentralen Organisationen die IB gehört: âWer sich distanziert, verliert!â, schrieben etwa Steffen KotrĂ© und Tobias Teich. Martin Sellner repostete ihre BeitrĂ€ge.
Sollte das IB-Verbot kommen, drohe âder Entzug des Hausausweises des Bundestages fĂŒr die Mitarbeiterâ und âder Kollege sei mit sofortiger Wirkung gesichert rechtsextremâ, warnte Krah. Auf Anfrage bestĂ€tigt Krah gegenĂŒber CORRECTIV seine Aussagen bei dem Vortrag: âDie mir von Ihnen vorgelegten Zitate aus meinem Vortrag sowie die DiskussionsbeitrĂ€ge, sofern ich Sie getĂ€tigt haben soll, sind zutreffend.â
Wer ist gemeint mit âmillionenfacher Remigrationâ?
Die IB gilt in Deutschland als gesichert rechtsextrem. Ihr zentraler Kampfbegriff ist die âRemigrationâ, um âden Bevölkerungsaustauschâ aufzuhalten, wie das Verwaltungsgericht Köln 2022 feststellte. Die Bewegung ist seit 2014 als Verein in Deutschland registriert. Martin Sellner mit dessen âKonzept der Remigrationâ aus Ăsterreich gilt als ideologischer Kopf der Bewegung. Die IB steht zwar auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD, aber es gibt gleichwohl Verbindungen zu der Partei. Der Bayerische Rundfunk veröffentlichte 2024 eine Recherche, derzufolge mehrere Mitarbeiter der AfD-Bundestagsfraktion, die aus dem Umfeld der IB waren. âWir Ă€uĂern uns grundsĂ€tzlich nicht zu möglichen Vereinsverboten, auch um etwaige MaĂnahmen nicht zu gefĂ€hrdenâ, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Telefon auf eine Anfrage von CORRECTIV.
Laut Krah könnte eine unprĂ€zise Verwendung des Begriffes âRemigrationâ nicht nur zum Verbot der IB fĂŒhren, sondern sie sei auch fĂŒr die AfD riskant. Der Verfassungsschutz schĂ€tzt die AfD als gesichert rechtsextrem ein. Gerichte mĂŒssen das nun prĂŒfen. Krah fĂŒrchtet, dass die Gerichte das Gutachten bestĂ€tigen, wenn sich die AfD nicht klar von der IB und Sellners Konzept distanziert. Das hĂ€tte dann laut Krah auch Auswirkungen auf ein mögliches Verbotsverfahren fĂŒr die AfD.
Die AfD hat im Januar 2025 den âRemigrationâ ins Programm fĂŒr die Bundestagswahl ĂŒbernommen. Die Partei verwendet diesen Begriff fĂŒr eine VerschĂ€rfung des Asyl- und Aufenthaltsrechts, und nicht wie Sellner pauschal fĂŒr mehrere Gruppen, darunter auch fĂŒr StaatsbĂŒrger mit migrantischem Hintergrund. Allerdings habe sich dieses VerstĂ€ndnis in der Ăffentlichkeit nicht durchgesetzt, sagt Krah.
Bei einer Google-Suche wĂŒrde die AfD-Definition auf der ersten Trefferseite nicht angezeigt, sagte Krah wĂ€hrend des Vortrages vor den AfD-Abgeordneten. Die Forderung nach âmillionenfacher Remigrationâ einzelner AfD-Bundestagsabgeordneter in sozialen Medien und im Bundestag wĂŒrde die Grenzen verwischen, denn diese Zahl sei von dem AfD-Programm nicht gedeckt.
Krah: âFinger weg von StaatsbĂŒrgernâ
Solange es die Partei offen lasse, dass sie auch das Konzept der Remigration vertrete, wie Sellner es vorschlĂ€gt, âsei die gerichtliche BestĂ€tigungâ des Gutachtens des Verfassungsschutzes nicht abzuwenden. Krah fĂŒhrt als Beispiel das Urteil des Verwaltungsgerichts MĂŒnchen im Sommer 2024 an. Das lehnte die Beschwerde des bayerischen Landesverbandes ab, vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden. Das sei geschehen, sagte Krah, âweil vier Landtagsabgeordnete Sympathie fĂŒr Sellners Konzept haben erkennen lassenâ.
âWir mĂŒssen deutlich machen: Finger weg von StaatsbĂŒrgern, das muss unser Mantra seinâ, sagte Krah. Mit Blick auf die verfassungsrechtliche Definition von StaatsbĂŒrgerschaft sagte Krah, es gebe im Artikel 116 des Grundgesetzes kein âethnisches Prinzipâ. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel und auch andere AfDler wie Björn Höcke sehen das anders, wie CORRECTIV in einer Recherche zeigte. Weidel behauptete im Mai, dass dem Grundgesetz ein âethnischen Volksbegriffâ zugrunde liegt.
Das Oberverwaltungsgericht MĂŒnster stellte im Mai 2024 zu AfD-Chef aus ThĂŒringen Björn Höcke und dessen Verwendung von âRemigrationâ fest, dass dessen âFormulierung naheâ lege, âdass auf lange Sicht auch deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund Deutschland verlassen sollen, wenn sie kulturell nicht integriert sind.â
WĂŒrden nun Gerichte die EinschĂ€tzung des Bundesamtes fĂŒr Verfassungsschutz bestĂ€tigen, die AfD sei rechtsextremistisch, ginge âdie blöde Verbotsdiskussionâ wieder los, sagt Krah bei dem Vortrag im Bundestag. Sollte ein solches Verfahren sogar erfolgreich sein, seien die AfD-Abgeordneten ihre Pensionen los. Aber auch wenn es scheitert, wĂŒrde das Verfahren der AfD âals solchesâ schaden.
Krah schlĂ€gt daher eine Kehrtwende vor. âDie Bundesrepublik Deutschland ist der Staat seiner StaatsbĂŒrger und er ist nicht der Staat des ethnisch deutschen Volkesâ, sagt Krah, dieses gelte es zu akzeptieren.
Krah zofft sich mit Helferich ĂŒber âmillionenfache Regmigrationâ
Nach dem Vortrag von Krah kam es zu einem Wortgefecht mit dem Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich. Helferich sagte, dass er nicht verfassungsfeindlich sei und zĂ€hlte Menschen auf, die er aus Deutschland herausdrĂ€ngen wollte, unter anderen die KriegsflĂŒchtlinge aus der Ukraine, um zu beweisen, dass seine Forderung nach âMillionenfacher Remigrationâ nicht verfassungswidrig sei. Helferich warf Krah im Nachgang der Veranstaltung auf X âFeindzeugentumâ vor. Der Jurist aus Dortmund hatte sich vor einigen Jahren in Privatchats als âfreundliches Gesicht des NSâ bezeichnet. Helferich ist zwar Mitglied der AfD-Bundestagsfraktion, wurde aber von dem Landesverband in Nordrhein-Westfalen vergangene Woche aus der AfD ausgeschlossen.
WĂ€hrend der Diskussion konfrontierten einige AfD-Bundestagsabgeordnete ihren Kollegen Krah mehrfach damit, dass er in seinem Buch ganz andere Thesen vertreten hĂ€tte, als er nun in seinem Vortrag vorstellte. Krah sagte darauf, er habe sich weiterentwickelt. Gleichwohl bot er zum Schluss des Vortragsabend an, das Buch, von dessen Thesen er mittlerweile abrĂŒckte, zu verschenken und zu signieren.
Zur Quelle wechseln
Author: Marcus Bensmann
#bewegung #bundestagsfraktion #identitaren #verbot #warnt