„Ich bin eine Dänemarkerin“
Neulich hat Kollege nömix angemerkt, dass bei Sprache oft keine Logik ersichtlich ist. Da ging es um die österreichische Formulierung von Richtungsangaben.
Ich bin sicher, diese willkürlich wirkenden Verschiedenheiten folgen durchaus einer gewissen Logik bzw. der einen oder anderen Regel. Was es für den Umgangssprecher undurchsichtig macht ist, dass natürlich ganz viele verschiedene Regeln und Effekte unterschiedlichster Herkunft parallel aktiv sind und man als Laie nicht weiß, welche Regel wo warum zum Tragen kommt oder welcher Kaskade von Entwicklungen die eine oder andere Erscheinung ihr Dasein verdankt. Diese vielfältigen Regeln und sprachlichen Entwicklungsprozesse sind oft sehr kleinteilig wirksam, ich stelle mir das vor wie die wild verquirlten Farben in einer Wanne, die man zum Marmorieren von Papier nimmt.
Wenn man das Papier auf die Oberfläche legt, kann man vorher nicht genau sagen, welche Farbe an welcher Stelle des Papiers landet. Jede einzelne Farbe in der Mischung ist ein sprachwissenschaftliches Prinzip, eine Regel, ein Gesetz, und wo sie mit Papier in Berührung kommt, färbt sie es entsprechend. Soweit ganz einfach. Nur sind die Farben in der Marmorierwanne nicht sauber in klar umrissene Felder aufgeteilt, sondern je nach Idee des Marmorierers mehr oder weniger systematisch verrührt, und es ist nicht immer ersichtlich oder vorhersehbar, wo diese oder jene Farbe nun in Reinform auftritt, wo sie sich vielleicht mit einer anderen vermischt hat, und wo sie gar nicht vorhanden ist. Dementsprechend bunt und unübersichtlich ist nicht nur das resultierende Marmorpapier, sondern eben auch die Sprache, wie sie gesprochen und geschrieben wird.
Zu diesen der Sprachentwicklung zugrundeliegenden Prinzipien und Regeln kommen dann noch kulturelle Effekte – was gilt in welcher Sprache oder in welcher Kultur, Gegend, gesellschaftlichen Schicht, Berufsgruppe o.ä. als akzeptabel, was ist tabu, welche Konnotationen schwingen wo mit, welche versteckten Hintersinne gibt es wo, vielleicht auch abhängig davon, wer gegenüber wem eine bestimmte Äußerung macht. Das ist nochmal so eine Marmorierwanne mit verrührten Farben. Insgesamt haben wir sozusagen einen dreidimensionalen Marmorierapparat, wo sich mehrere Dimensionen überlagern und gegenseitig durchdringen und das Ergebnis noch unvorhersehbarer machen.
Sprache ist deshalb – nicht nur für den Fremdsprachenlernenden – ein Minenfeld, über dem ein Labyrinth aus übermannshohen, undurchdringlichen Hecken steht, durch das man nachts bei Nebel ohne Lampe den Weg finden soll.
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Die Überschrift dieses Beitrags – ein Zitat aus dem Film Wir Wunderkinder, mit dem Johanna von Koczian als Kirsten dem Protagonisten erklärt, wieso sie so spricht wie sie spricht – leitet elegant zum eigentlichen Thema dieses Beitrags über, nämlich den Bezeichnungen für die Einwohner von Ländern und wie sie sich von den Namen des jeweiligen Landes ableiten. Das ist ein halbwegs überschaubares und schön isolierbares Gebiet, und auch hier geht es kunterbunt durcheinander.
Ich beschränke mich darauf, Ländernamen und die von ihnen abgeleiteten Einwohnerbezeichnungen aufzuführen. Ich gruppiere die Ländernamen nach ähnlichem Erscheinungsbild (v.a. der Endung) und suche nach unterschiedlich gebildeten Einwohnerbezeichnungen zu ähnlich aussehenden Ländernamen. Die betonte Silbe formatiere ich fett, denn auch da geht es nicht ganz einheitlich zu.
Ich erspare mir die mühsame Suche nach zugrundeliegenden Regeln und deren Verwandtschaftsverhältnissen. Soviel Sprachwissenschaft habe ich grad nicht greifbar, und bestimmt hat jemand da sowieso schon ein ganzes Buch drüber geschrieben.
Hier also meine halbsortierten Funde:
Ghana – Ghanaer
Panama – Panamaer
Sri Lanka – Sri Lanker
Kanada – Kanadier
Korea – Koreaner
Kambodscha – Kambodschaner
China – Chinese
Guatemala – Guatemalteke
Venezuela – Venezolaner
Nicaragua – Nicaraguaner
Spanien – Spanier
Argentinien – Argentinier
Rumänien -Rumäne
Albanien – Albaner
Italien – Italiener
Brasilien – Brasilianer
Polen – Pole
Schweden – Schwede
Norwegen – Norweger
Ägypten – Ägypter
Jemen – Jemenit
Finnland – Finne
Schottland – Schotte
Irland – Ire
England – Engländer
Holland – Holländer
Russland – Russe
Dänemark – Däne
Österreich – Österreicher
Frankreich – Franzose
Nepal – Nepalese
Senegal – Senegalese
Portugal – Portugiese
Iran – Iraner
Pakistan – Pakistaner
Afghanistan – Afghane
Kirgistan/Kirgisistan/Kirgisien – Kirgise
Sudan – Sudaner, Sudanese
Surinam – Surinamer
Vietnam – Vietnamese
Haiti – Haitianer
Malawi – Malawier
Burundi – Burundier, Burunder
Hier noch ein paar schwer einsortierbare Einzelfunde:
San Marino – San-Marinese
Belize – Belizer
Honduras – Honduraner
Libanon – Libanese
Niger – Nigrer
Nigeria – Nigerianer
Mosambik – Mosambiker, Mosambikaner
El Salvador – Salvadorianer
Laos – Laote
Chaos – Chaot
Und zuguterletzt noch das wohl einzige Land, zu dem der Duden keine Einwohnerbezeichnung nennt:
Vatikan




