Chatkontrolle, Sozialstaat-Bashing & der Niedergang der Sozialen Medien: Wochenschau der Absurditäten
Es ist mal wieder Zeit für eine bunte Wochenschau mit Leseempfehlungen. Das Thema Chatkontrolle ist zumindest in der Netzszene in aller Munde. Dort lamentieren alle zu Recht darüber, dass Datenschutz ausgehebelt wird, wenn die Chatkontrolle durchgezogen wird. Unternehmen wie der Messenger-Hersteller Signal drohen mit Rückzug aus Deutschland, falls wirklich eine Hintertür in die Messenger eingebaut werden muss. WhatsApp – man höre – und Threema sind wohl auch nicht begeistert.
Chatkontrolle: Wenn die EU uns für dumm verkauft
Heinrich Kümmerle hat sich in seinem Blog richtig schön böse zum Thema Chatkontrolle geäußert. Lesen, was die Hemden von Jens Spahn und Philipp Amthor und die feuchten Träume amerikanischer Frauen, wenn sie an Trump denken, mit Chatkontrolle zu tun haben! Hier Heinrichs Fazit:
Übrigens, man löst durch solche Kontrollen oder Denkverbote kein einziges Problem, man gibt der Bevölkerungsmehrheit vor der kommenden Katastrophe nur das heimelige Gefühl wein-, schnaps- oder bierselig ins Lagerfeuer blickend vor der eigenen Höhle zu sitzen.
Und natürlich die Bitte, die Petition zu unterzeichnen, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, die Chatkontrolle im EU-Rat klar abzulehnen. Es muss verhindert werden, dass unsere privaten Nachrichten zukünftig ohne jeden Verdacht durchsucht werden dürfen.
Julia Ruhs, der Sozialneid und die Realität
Horst Schulte nimmt sich die Focus-Kolumne von Julia Ruhs – ja, genau die Dame – vor, die aus einem Einzelfall rund um eine Mietanfrage ukrainischer Geflüchteter eine moralisch aufgeladene Generalabrechnung mit dem Sozialstaat konstruiert. Ruhs erzählt vom „fleißigen Bürger“, der sich abrackert, während andere angeblich abkassieren. Ruhs verallgemeinert und befeuert ganz bewusst Empörung und füttert rechte Narrative. Dabei wäre eine sachliche Diskussion nötig:
Ein ehrlicher Diskurs über den Sozialstaat braucht mehr als anekdotische Empörung. Er braucht Maß, Kontext und Mut zur Differenzierung. Leider sind immer weniger Leute dazu bereit. Wenigstens scheint mir das der Fall zu sein.
Ein sehr lesenswerter Beitrag. Wenn ich das so lese, muss ich an unseren Kanzler denken, der auch zu Vereinfachungen neigt. Wir müssen alle mehr und die Älteren länger arbeiten, damit es Deutschlands Wirtschaft gut geht. Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern … Es wird unterkomplex pauschalisiert.
Die Realität ist oft nicht so einfach, eben nicht schwarz-weiß. Hier habe ich darüber geschrieben, dass Alte oft nicht mehr in Unternehmen gewollt werden, weil sie zu teuer sind. So etwas ignorieren Merz und Konsorten geflissentlich. Würde ja die eigenen Plattitüden und Sprüche ad absurdum führen.
Putin, Appeasement und die Lehre aus 1939
Ich schätze unterdessen das News-Portal von T-Online ungemein und lese beispielsweise den täglichen Tagesanbruch. Unter anderem schreibt Florian Harms, Chefredakteur und oft kritisiert, sehr lesenswerte Kolumnen. Im Beitrag vom 1. Oktober geht es um Putin, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Provokationen der vergangenen Wochen durch russische Flugzeuge und Drohnen. Mir als Historiker ist dabei der folgende Absatz ins Auge gesprungen:
So kann das nicht weitergehen, wenn wir erhalten wollen, was uns lieb und teuer ist: die Freiheit, die Sicherheit, den Wohlstand, das eigene Leben und das unserer Familien. Imperialistische Aggressoren, die über Leichen gehen, lassen sich mit Appeasement-Politik nicht eindämmen, das ist die glasklare Lehre aus den Jahren 1938/39. Erschreckend, dass so viele europäische Entscheider das vergessen haben.
Jetzt werden wieder die üblichen Skeptiker sagen, dass man mit historischen Vergleichen vorsichtig sein soll. Vorsichtig, ja, aber man kann, soll und muss Parallelen aufzeigen und vergleichen, wenn es angebracht ist. In diesem Fall ist es absolut richtig und wichtig!
Social Media ist tot – es lebt nur noch als Zombie
Zum Abschluss der Wochenschau ein Dankeschön an Thomas Gigold, der mich auf einen Artikel der Financial Times aufmerksam gemacht hat. „Haben wir den Peak von Social Media überschritten?“, fragt darin John Burn-Murdoch. Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, an dem die Plattformen ihre Feeds mit algorithmisch gefiltertem und KI-generiertem „Content-Brei“ fluten, sinkt die Nutzungsdauer von Social Media weltweit, wie die FT mit GWI-Zahlen belegt.
Zwei Stunden und 20 Minuten täglich – immerhin 10 Prozent weniger als auf dem Höhepunkt. Vor allem die einstigen Power-User, die Teenager und Zwanzigjährigen, fliehen. Warum? Weil selbst die letzte Illusion von „sozialer“ Interaktion verpufft zu sein scheint und Fast Food fürs Gehirn nicht wirklich befriedigt. Die Plattformen sind längst keine „sozialen“ Räume mehr, auf denen man Freunde trifft. Sie sind in weiten Teilen zu digitalen Mülldeponien verkommen – und die Nutzer merken endlich, dass sie dort nichts verloren haben. Außer vielleicht ihre Zeit.
Laut GWI-Zahlen wandert die Jugend nicht etwa in tiefgründigere Gefilde ab – sie vermeidet nur noch aktiv den offenkundigen Müll. TikTok, Instagram Reels & Co. bleiben dominant, aber ihr Charme verpufft. Die Plattformen reagieren wie jeder „gute“ Dealer: Sie erhöhen die Dosis durch KI-generierte Inhalte … Aber das scheint nicht so gut zu funktionieren. Die Vermutung liegt nahe, dass sich die Aufmerksamkeit auf Spielewelten wie Fortnite als sozialen Ersatzraum oder private Messenger-Gruppen verlagert. Aber auch diese Welten sind schon im Visier der Metas dieser Welt. KI-Chat und durch KI personalisierte Werbung warten schon um die Ecke.
Das 60-Sekundenvideo zum Blogbeitrag – veröffentlicht auf YouTube, TikTok und Instagram
https://youtube.com/shorts/36mQxHAPhWo?feature=share
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