Das Dreieck SpĂ€thsfelde ist zu wertvoll fĂŒr Bebauung
Das Interesse ist groĂ. Rund 60 Interessierte versammeln sich am spĂ€ten Dienstagnachmittag zur Informations- und Diskussionveranstaltung unter dem Titel âWie wertvoll ist das Dreieck SpĂ€thsfelde?â an den SpĂ€thâschen Baumschulen in Treptow-Köpenick.
Seit der Wende ist SpĂ€thsfelde immer wieder im GesprĂ€ch fĂŒr unterschiedliche Bebauungen, sogar ein Hafen war hier einst vorgesehen, erinnert Andrea Gerbode, 1. Vorsitzende der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN), bei der BegrĂŒĂung der rund 60 Interessierten vor der SpĂ€th-Villa.
Doch nun konkretisieren sich die SenatsplĂ€ne fĂŒr eine Bebauung der rund eine Million Quadratmeter groĂen FlĂ€che mit KleingĂ€rten, Wiesen, Feldern, einem Arboretum und der SpĂ€thâschen Baumschule. 2000 bis 4000 Wohnungen und GewerbeflĂ€chen sollen laut den Vorstellungen der Stadtentwicklungsverwaltung entstehen. Als âDreieck SpĂ€thsfeldeâ ist es inzwischen eines der 24 neuen Stadtquartiere. Mit einer 2021 erlassenen Vorkaufsrechtsverordnung will sich der Senat die FlĂ€chen sichern. Werden GrundstĂŒcke verkauft, hat das Land somit nun das Erstzugriffsrecht.
Hier ein Steckbrief (PDF) des Dreiecks SpÀthsfelde
âAls NaturschutzverbĂ€nde haben wir uns auch schon damals positioniert gegen eine Bebauung. Und wenn man gegen etwas ist, ist man natĂŒrlich auch fĂŒr etwas: nĂ€mlich fĂŒr den Erhalt dieser strukturreichen FlĂ€chenâ, sagt Andrea Gerbode. Sie seien eingebettet in historische Relikte der ursprĂŒnglichen Landschaft, wie der Königsheide oder dem Heidekampgraben. Mit dem Bau der Teltowkanalautobahn A113 habe es auch schon eine âerhebliche Inanspruchnahme von LebensrĂ€umenâ gegeben.
140 Hitzetote in Berlin allein 2025
Die Informations- und Diskussionsveranstaltung in SpĂ€thsfelde ist Teil der BUND-Kampagne âGrĂŒne FlĂ€chen retten â Hitzeschutz jetztâ, sagt Verena Fehlenberg, Stadtnaturschutz-Referentin des BUND Berlin. âWir hatten zwischen 2022 und 2024 ĂŒber 600 Hitzetote und selbst in diesem Sommer gingen laut einer Londoner Studie in Berlin 140 Hitzetote auf das Konto erhöhter Temperaturen infolge der Klimakriseâ, sagt sie.
âGleichzeitig verschwinden die grĂŒnen FreiflĂ€chen in Berlinâ, sagt Fehlenberg. Beispielsweise Parks, GewĂ€sserufer, Friedhöfe, BahnrandflĂ€chen, Wald und auch KleingĂ€rten. âAuch die Senatsumweltverwaltung beschreibt, dass der Verlust von grĂŒnen FlĂ€chen in Berlin und die Versiegelung ursĂ€chlich ist fĂŒr den Artenschwund in Berlinâ, so die Expertin weiter. So steht es zum Beispiel in der aktuellen Fassung der Berliner Strategie fĂŒr biologische Vielfalt.
âWir haben auĂerdem das Problem, dass sich immer mehr Menschen immer weniger GrĂŒn teilen mĂŒssen. Das fĂŒhrt zu Stressâ, unterstreicht Fehlenberg.
Neuer Wohnraum ja â aber nicht so
âNatĂŒrlich brauchen wir bezahlbaren Wohnraum in Berlinâ, stellt sie klar. Sie kritisiert allerdings die Art und Weise, wie gebaut wird. Selten werde nach AlternativflĂ€chen gesucht, die weniger Naturzerstörung verursachen wĂŒrden. Auch werde nicht unbedingt flĂ€chensparend gebaut. âWir haben circa 1,7 Millionen Quadratmeter BĂŒroflĂ€che, die leer stehtâ, nennt sie eines der Potenziale, um ohne Neuversiegelung Wohnraum zu schaffen. Also alles Potenziale, die man erstmal nutzen könnte.
âBisher war es so, dass der Neubau nicht wirklich dazu beigetragen hat, dass die Mieten gesunken sind. Ganz im Gegenteil, die Mieten sind weiter gestiegenâ, spricht Fehlenberg auch die soziale Komponente der Wohnraumversorgung an.
Bezirk Treptow-Köpenick ist gegen SenatsplÀne
âSeit 2021 beschĂ€ftige ich mich intensiv auch mit dem Dreieck SpĂ€thsfelde und das durchaus sehr kritischâ, sagt Claudia Leistner, StadtrĂ€tin fĂŒr Stadtentwicklung, StraĂen, GrĂŒnflĂ€chen und Umwelt in Treptow-Köpenick. Es gebe durchaus viel Wohnungsbau im Bezirk, so die GrĂŒnen-Politikerin. âWir haben in diesem Jahr die 300.000 Einwohnerinnen- und Einwohnermarke geknackt.â
âDas Dreieck SpĂ€thsfelde sehe ich aus vielerlei GrĂŒnden kritisch. Und das habe ich dem Senat auch immer wieder sehr deutlich gemacht, dass ich das kritisch sehe. Zum einen ist das hier aus meiner Sicht kein klassisches Entwicklungsgebiet. Wir haben hier die gewachsenen KleingĂ€rtenanlagenâ, sagt Claudia Leistner.
âWir verlieren Kleingartenanlagen, die fĂŒr die Menschen nicht nur eine ökologische Funktion erfĂŒllen, sondern die ja auch eine ganz wesentliche soziale Funktion erfĂŒllenâ, so die StadtrĂ€tin. âWir als Bezirk setzen uns dafĂŒr ein, dass die Kleingartenanlagen erhalten bleiben. Nicht nur hier, sondern auch an anderer Stelle.â
FreiflÀchen sind wertvoll
Man setze sich im Bezirk âsehr intensiv mit dem Thema FreiflĂ€chenâ auseinander, sagt Leistner. Aktuell werde die âStrategie GrĂŒnâ erarbeitet. Wenn immer mehr Wohnungsbau entstehe, brauche es die FreiflĂ€chen fĂŒr die Erholung der Menschen, aber auch als Hitzeschutz. Ebenso angesichts zunehmender Starkregenereignisse und lĂ€ngerer Trockenperioden.
Die SpĂ€thâschen Baumschulen seien ein âWahrzeichen des Bezirksâ, zudem sei die Verkehrsanbindung âsehr schwierigâ â die SpĂ€th- und BaumschulenstraĂe sind ĂŒberlastet. âUnd dafĂŒr gibt es bisher aus meiner Sicht auch ehrlicherweise keine Lösung. Und auch nicht eine Lösung, die ich bisher in den PlĂ€nen gesehen habe, die seitens des Senats gezeigt werden. Und das haben wir auch immer in den GesprĂ€chen deutlich gemacht, dass wir das sehr kritisch sehenâ, so Leistner weiter.
âAuch wenn wir eine kritische Haltung zu dem Gebiet haben, halte ich es fĂŒr richtig, dass wir uns als Bezirk mit einbringen, damit wir auch gehört werden, damit wir unsere Haltung mit einbringen könnenâ, sagt Claudia Leistner.
Die StadtrĂ€tin skizziert schlieĂlich die Vision des Bezirks Treptow-Köpenick fĂŒr SpĂ€thsfelde: âWir sehen die Möglichkeit zum einen darin, dass man diese FlĂ€chen nutzt als potenzielle AusgleichsflĂ€chen, nĂ€mlich fĂŒr Wohnungsbau an anderer Stelle. Wir sehen durchaus auch eine gewerbliche Entwicklung, aber entlang der Autobahn. Das ist auch so in unserem WirtschaftsflĂ€chenkonzept hinterlegt.â
Verkehrslösung muss MobilitÀtsgesetz entsprechen
Man habe immer gesagt: âEine verkehrliche Anbindung muss dem MobilitĂ€tsgesetz entsprechen. Das heiĂt, es muss ausreichend Platz fĂŒr Rad- und FuĂverkehr sein und sie muss vor allem das Gebiet entlasten. Es kann nicht sein, dass das Gebiet immer weiter belastet wird.â
Die SpĂ€thâschen Baumschulen seien âwirklich ein kulturelles, ökologisches Highlight hier bei uns im Bezirk. Wir als Bezirk stellen uns dahinter und sagen: Die mĂŒssen erhalten bleiben.â
Leistners Fazit: âIch glaube, dass es sinnvoll ist, Wohnungsbau woanders entstehen zu lassen.â
Gebrochene Senatsversprechen
Gert Schoppa, PrĂ€sident des Landesverbands Berlin der Gartenfreunde, drĂŒckt zunĂ€chst seine Freude aus, dass die Position des Bezirks Treptow-Köpenick und der KleingĂ€rtner Ă€hnlich sein. âDenn ich habe immer erklĂ€rt, dass wir uns nirgendwo in der Stadt gegen eine Entwicklung in dieser Stadt stellen.â
âEs muss sozial und ökologisch gerecht zugehenâ, sagt Schoppa. Der zweite Entwurf der Voruntersuchungen der Senatsstadtentwicklungsverwaltung entspreche jedoch âin keiner Art und Weise dem, was uns noch letztes Jahr zum Tag des Gartens an gleicher Stelle vom zustĂ€ndigen Stadtentwicklungssenator zugesichert und versprochen wurdeâ. Senator Christian Gaebler (SPD) hatte zugesichert, dass die KleingĂ€rten nicht angetastet werden.
Unsichere KleingÀrtensicherung
Schoppa kommt auf das KleingĂ€rtensicherungsgesetz zu sprechen, dessen Entwurf vom Senat bereits beschlossen und bereits dem Rat der BĂŒrgermeister vorgelegt worden ist. Die BezirksbĂŒrgermeisterinnen und -bĂŒrgermeister teilten die Forderung der Gartenfreude, âeine unglĂŒckliche Formulierung im Gesetzentwurf nochmal zu prĂ€zisierenâ.
Das Gesetz soll KleingartenflĂ€chen in Eigentum des Landes weitgehend vor Bebauung schĂŒtzen, mit der Ausnahme von FlĂ€chen mit âfortgeschrittenen Planungenâ, was einen weiten Auslegungsraum ermöglicht. Der Kleingartenverband fordert eine PrĂ€zisierung, dass es dabei nur um FlĂ€chen mit so konkreten BauplĂ€nen gehen darf, dass eine Ăffentlichkeitsbeteiligung laut Baugesetzbuch vorgeschrieben ist. âDas ist hier noch nicht der Fall im SpĂ€thâschen Dreieckâ, sagt Schoppa. âAber die Verwaltung ist nun auf die Idee gekommen, das vielleicht noch zu ergĂ€nzen mit der Bemerkung, es trifft auch nicht zu auf alle die FlĂ€chen, wo es Vorkaufsrechtsverordnungen gibtâ, so Schoppa weiter. Die gibt es fĂŒr SpĂ€thsfelde bekanntlich seit 2021.
âEs geht hier natĂŒrlich um Ăkologie, es geht um Naturschutz, es geht um viel BiodiversitĂ€t in diesem Gebiet. Aber es geht vor allen Dingen eben auch um die sozialen Strukturen, die nicht zerstört werden dĂŒrfen. Denn der Mensch gehört zur Natur und zur Umwelt dazuâ, sagt Gert Schoppa.
Ein Bericht ĂŒber den zweiten Teil der Veranstaltung wird demnĂ€chst hier veröffentlicht!
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