Bundesrechtsanwaltskammer: Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen unzulÀssig
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Bundesrechtsanwaltskammer: Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen unzulÀssig
Die Bundesrechtsanwaltskammer und der Verband der Internetwirtschaft erteilen neuen Ideen fĂŒr eine Vorratsdatenspeicherung eine deutliche Absage. In einer Stellungnahme erlĂ€utern die AnwĂ€lte, warum die geplante anlassunabhĂ€ngige Massenspeicherung von IP-Adressen und Port-Nummern gegen die Vorgaben des EuropĂ€ischen Gerichtshofs verstöĂt.
14.03.2025 um 16:18 Uhr
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Constanze â in
Datenschutz â
keine ErgÀnzungen Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen von allen.
â Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Panthermedia Die schwarz-schwarz-roten Koalitionsverhandlungen dĂŒrften nicht ganz einfach werden. Ăber einen Punkt aber ist bei den Verhandlern kein Streit zu erwarten: Die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten soll kommen. Das hatten die kĂŒnftigen Regierungsparteien CDU/CSU und SPD in ihren Wahlprogrammen bereits erklĂ€rt.
Die Tatsache, dass sich Union und Sozialdemokraten darin einig sind, dass sie den Telekommunikationsanbietern eine anlasslose Zwangsspeicherung von Kundendaten auferlegen wollen, macht sie allerdings noch nicht rechtmĂ€Ăig. Darauf weist die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hin, die Dachorganisation der Rechtsanwaltschaft. Sie analysiert in einer aktuellen Stellungnahme (pdf) die Vereinbarkeit der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, des EuropĂ€ischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts.
Der aktuelle Vorschlag (pdf) ist das âGesetz zur EinfĂŒhrung einer Mindestspeicherung von IP-Adressen fĂŒr die BekĂ€mpfung schwerer KriminalitĂ€tâ, das vom schwarz-rot regierten Hessen im November 2024 im Bundesrat eingebracht wurde. Das sei laut BRAK kein âtragfĂ€higes Modellâ, weil der Entwurf der stĂ€ndigen Rechtsprechung der Höchstgerichte zur Vorratsdatenspeicherung nicht entspreche.
BRAK lehnt auch âQuick-Freezeâ-Vorschlag ab
Die BRAK bewertet in der Stellungnahme auch den Referentenentwurf des alternativen âQuick-Freeze-Modellsâ, der von FDP-Justizminister Marco Buschmann vor dem Ampel-Aus vorgelegt wurde. Auch diesen Entwurf sieht die BRAK kritisch, die Grenzen des Erlaubten seien ĂŒberschritten. Schon 2023 hatte die BRAK den âQuick-Freezeâ-Vorschlag abgelehnt, weil er das Mandatsgeheimnis nicht ausreichend schĂŒtzt. Wegen der DiskontinuitĂ€t am Ende einer Wahlperiode des Bundestags hat sich der Vorschlag in dieser Form allerdings erledigt.
Auf Nachfrage erklĂ€rt die Bundesrechtsanwaltskammer gegenĂŒber netzpolitik.org, dass âfĂŒr die kommende Legislatur angesichts der laufenden Sicherheitsdebatten aus Sicht der BRAK zu erwarten steht, dass einige Fraktionen Speicherpflichten einbringen werden, die weit ĂŒber den Quick-Freeze-Ansatz hinausgehenâ. Daher soll die Stellungnahme aufzeigen, âdass wir sowohl dem Quick-Freeze-Ansatz als auch der Mindestspeicherdauer fĂŒr IP-Adressen weiterhin ablehnend gegenĂŒberstehenâ.
Nach dem Ampel-Aus hatten sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Innenminister der LÀnder im Dezember gemeinsam auf eine Vorratsdatenspeicherung verstÀndigt. Wenn die schwarz-schwarz-rote Regierung zustandekommt, könnte es also schnell gehen.
EuGH setzt enge Grenzen
Der Gesetzentwurf (pdf), der von Hessen in den Bundesrat eingebracht wurde, wĂŒrde Telekommunikationsunternehmen eine anlassunabhĂ€ngige Speicherpflicht fĂŒr IP-Adressen, Benutzer- und Anschlusskennungen und Port-Nummern fĂŒr einem Monat vorschreiben. Diese Daten mĂŒssten von allen Anbietern von Internetzugangsdiensten fĂŒr Endnutzer gespeichert werden. Hessens MinisterprĂ€sident Boris Rhein hatte den Gesetzentwurf vor allem mit Straftaten im Bereich der sexualisierten Gewalt gegen Kinder begrĂŒndet.
Bundesrat macht Druck fĂŒr Vorratsdatenspeicherung
Einen Monat nach dem hessischen Gesetzentwurf positionierte sich die CDU mit einer Forderung nach einer Verdreifachung dieser Speicherfrist auf nun drei Monate. Doch die BRAK weist darauf hin, dass der EuGH auch in seiner jĂŒngsten Entscheidung der Speicherung von IP-Adressen enge Grenzen setzt. Sie sei zwar âdem Grunde nach zugelassenâ, aber schon eine âschematische Fristâ von einem Monat widerspreche den Anforderungen des Gerichts aus dem Urteil. Denn darin ist vorgeschrieben, dass die Speicherung nur âfĂŒr einen auf das absolut Notwendige begrenzten Zeitraumâ zugelassen ist. Die von der CDU zuletzt geforderten drei Monate dĂŒrften den gesetzten Rahmen dann erst recht sprengen.
AuĂerdem erlaubt der EuGH nur, dass die IP-Adressen und die Namen der zugehörigen Nutzer ermittelt werden dĂŒrfen. Die zusĂ€tzliche Speicherung auch von vergebenen Port-Nummern bedeute aber âfĂŒr die Persönlichkeitsrechte der Nutzer eine höhere Belastungâ, so die BRAK. Sie weist zudem auf die âtechnische und finanzielle Belastungâ fĂŒr die betroffenen Unternehmen hin, die âmassiv erhöhte Datenmengenâ speichern mĂŒssten.
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Die BeschrĂ€nkung der Speicherdauer auf das absolut notwendige MaĂ ist allerdings nicht die einzige Vorgabe des EuGH, die zu beachten ist. Der Gerichtshof verlangt in dem Urteil auch, dass es âausgeschlossen ist, dass aus der Vorratsspeicherung genaue SchlĂŒsse auf das Privatleben der Inhaber der IP-Adressenâ gezogen werden können, etwa durch ein âdetailliertes Profilâ.
Die BRAK verweist darauf, dass der EuGH noch weitere Bedingungen vorgibt: Eine Behörde darf zu den gespeicherten Daten fĂŒr die Identifikation von Personen nur dann Zugang bekommen, wenn diese Person schon im Verdacht einer Straftat steht.
GegenĂŒber netzpolitik.org erklĂ€rt die BRAK: âIn jĂŒngster Zeit wurde vermehrt vertreten, dass der EuGH mit seiner zwischenzeitlich (2024) ergangenen Rechtsprechung zur IP-Adressenspeicherung zwecks Urheberrechtsschutz in Frankreich seine restriktive Haltung zur Vorratsdatenspeicherung derart gelockert habe, dass eine Vorratsspeicherung von IP-Adressen bzw. die Quick-Freeze-Lösung nun uneingeschrĂ€nkt/fraglos zulĂ€ssig sei. Dies ist mitnichten der Fall, was wir in der Stellungnahme deutlich ausfĂŒhren. Zumindest fordern wir weitergehende Absicherungen des Mandatsgeheimnisses.â
Das EuGH-Urteil geht auf ein Gesetz gegen Filesharing in Frankreich zurĂŒck. Die französische Behörde Hadopi kann bei den ersten beiden VerstöĂen gegen mutmaĂliche Urheberverwertungsrechtsverletzer eine Warnung aussprechen. DafĂŒr muss Hadopi sie aber zuvor kennen: Die französische Regelung erlaubt daher, die IdentitĂ€tsdaten von Filesharern ĂŒber deren IP-Adressen von Providern abzufragen. Das Höchstgericht hielt aber an seiner Linie fest, dass weiterhin die allgemeine und unterschiedslose Speicherungspflicht von Telekommunikationsverkehrsdaten nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
Union will Staatstrojaner und Vorratsdatenspeicherung oben draufpacken
Nicht einmal nĂŒtzlich
Die BRAK ist mit ihrer Kritik nicht allein. Sie verweist auch auf die kurze Stellungnahme des Bundesbeauftragten fĂŒr den Datenschutz und die Informationsfreiheit â damals Ulrich Kelber â in einer SachverstĂ€ndigenanhörung 2023 im Rechtsausschuss des Bundestags zur Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen. Er verwies nicht nur darauf, dass eine allgemeine und anlasslose Speicherung von IP-Adressen ein schwerer Grundrechtseingriff sei, sondern warf auch die Frage der NĂŒtzlichkeit auf, die mit diesem schweren Eingriff abgewogen werden mĂŒsse. Denn âinwiefern hier eine ausreichend zuverlĂ€ssige Zuordnung ĂŒberhaupt möglich ist, etwa durch Ungenauigkeiten bei Zeitangabenâ, mĂŒsse erst evaluiert werden.
Er verwies in dem Zusammenhang auch auf die âUmgehungsmöglichkeiten durch TĂ€ter und TĂ€tergruppierungen in Form der Nutzung von VPN oder bestimmter Browser, die die IP-Adresse verschleiernâ. Die âprofessionell organisierten TĂ€terstrukturen können auch durch die Speicherung der IP-Adresse nicht ermittelt werdenâ, so der Datenschutzbeauftragte.
AnlĂ€sslich der gerade vorgestellten EU-Strategie zur inneren Sicherheit, die ebenfalls wieder eine Massenspeicherung unter anderem von Telekommunikationsdaten beinhaltet, positioniert sich auch der Verband der Internetwirtschaft eco klar gegen die erneute EinfĂŒhrung der Vorratsdatenspeicherung.
Die âanlasslose massenhafte Speicherung privater IP-Adressen ist grundrechtswidrig und verstöĂt gegen EU-Rechtâ, sagt der eco-Vorstandsvorsitzende Oliver SĂŒme. Der Verband und seine Mitglieder haben bereits erfolgreich gegen die rechtswidrige Vorratsdatenspeicherung geklagt. SĂŒme kĂŒndigt an, sie âwerden dies erneut tun, falls es erforderlich istâ.
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Author: Constanze
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